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Tante Dimity und der skrupellose Erpresser

Tante Dimity und der skrupellose Erpresser

Titel: Tante Dimity und der skrupellose Erpresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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aus den lustigen Kinderbüchern ausschneiden wollte?
    Ich nickte dem Elefanten kurz zu und schlich durch das Badezimmer, zu der halb geschlossenen Verbindungstür. Ich wagte kaum zu atmen, als ich mich vorbeugte, um zu sehen, wer gekommen war. Ungläubig schrak ich zurück. Es war Derek.
    Er hatte mich offenbar nicht bemerkt. Er stand in der Mitte des Zimmers, den Blick auf die Bücher im Regal gerichtet. Die formelle Kleidung hatte er gegen Jeans, Arbeitsschuhe und ein blaukariertes Hemd getauscht. Seine dunkel melierten Locken fielen ihm in die Stirn, und die Wut, die seine verwitterten Züge verzerrte, jagte mir einen Schauer über den Rücken.
    Ich schloss die Augen und hoffte, er würde gehen, nicht weil er mir Angst machte, sondern weil ich ihn und Emma liebte. Ich wollte meine Freunde in keiner Weise mit der kranken Botschaft in Verbindung bringen, die unter meinem Rockbund steckte.
    Als ich die Augen wieder öffnete, hatte sich Dereks Miene geändert. Er sah irgendwie älter aus, sehr erschöpft. Er wandte sich vom Regal ab und ging auf das Schaukelpferd zu. Einen Augenblick lang blieb er neben ihm stehen und fuhr dann mit der Hand durch dessen Mähne.
    »Hallo, Blackie«, sagte er leise. »Immer noch der Gewinner beim Derby?« Er ließ die Hand sinken, und seine Schultern hoben und senkten sich, als er einen Mitleid erregenden Seufzer ausstieß.
    Ich konnte mich nicht länger verbergen. Derek war einer meiner liebsten Freunde, und ich schämte mich, ihn so zu beobachten.
    »Derek?«, sagte ich und trat aus dem Badezimmer.

    Er fuhr herum. »Lori?«, sagte er verwirrt.
    »Was machst du hier?«
    »Es tut mir leid, ich wollte dich nicht … Emma bat mich, dich zu suchen, und da dachte ich …«
    Ich ging auf ihn zu und legte meine Hand auf seinen Arm. »Kann ich irgendwas für dich tun?«
    Derek sah mich schweigend an, dann ging er zum Fenster und hob das Segelboot hoch. Er drehte es langsam hin und her und murmelte:
    »Schick deine Söhne niemals auf ein Internat.«
    Mein Blick wanderte vom Schaukelpferd zum Segelboot, und ich fragte mich, wie alt er gewesen war, als man ihn fortgeschickt hatte.
    »Meine Mutter hat nicht viel Zeit auf Hailesham verbracht«, sagte er, ohne den Blick vom Segelboot abzuwenden. »Sie zog das Haus in London vor. Das hat man mir zumindest erzählt.
    Ich war erst sieben, als sie starb – zu jung, um sie wirklich kennen gelernt zu haben.«
    Er ließ sich auf die Bank fallen und stellte sein Segelboot auf seine Knie. Ich ließ das Schaukelpferd stehen und setzte mich neben ihn.
    »Deinen Jungen geht es besser, Lori. Du hast Rob und Will noch nie länger als zehn Tage am Stück allein gelassen«, sagte er. »Und auch wenn Annelise euch eine große Hilfe ist, muss sie doch nie Ersatzmutter spielen.«

    »Das Leben deiner Mutter war ganz anders als meins«, erinnerte ich ihn.
    Derek zog die Lippen zusammen. »Nur weil etwas zur Gewohnheit wird, macht es das Unrecht nicht besser.«
    »Nein«, gab ich zu und wartete ab.
    »Ich hatte Winnie«, sagte er schließlich. »Miss Charlotte Winfield. Sie war ziemlich jung, als sie nach Hailesham kam, nicht viel älter als jetzt Nell, obwohl sie nicht halb so weltklug war wie meine Tochter.«
    Ich lächelte im Stillen. Ich kannte nicht einmal einen Erwachsenen, der so weltklug war wie Nell. »War sie dein Kindermädchen?«
    »Winnie war mein Ein und Alles.« Derek pustete sanft in die weißen Segel des Bootes. »Wir haben Regatten auf dem Teich veranstaltet und lange Spaziergänge durch die Wälder gemacht.
    Sie hat mir ein Pflaster aufs Knie geklebt, wenn ich hingefallen war, und mich trotz meiner Proteste hinter den Ohren gewaschen. Sie hat mir Geschichten von Piraten und Banditen und Geistern erzählt, und sie hat mich in den Schlaf gesungen. Bei der Beerdigung meiner Mutter saß sie neben mir, und sie hielt meine Hand, als ich mich über ihr Grab beugte.«
    Er stellte das Segelboot zur Seite. Ich sah zu den Muscheln, den Tannenzapfen und den Vogelnestern auf dem Bücherregal hin, und aus der Ferne schien ich das fröhliche Plappern eines kleinen Jungen zu hören, vermischt mit den freundlichen Erwiderungen einer jungen Frau.
    »Wenn der Koch seinen freien Tag hatte, schlich Winnie mit mir in die Küche und machte mir Süßigkeiten.« Derek fuhr mit der Hand durch seine ergrauten Locken. »Weißt du noch, welchen Pudding wir gestern Abend zum Nachtisch hatten?«
    Ich lebte bereits lang genug in England, um zu wissen, dass es sich bei einem

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