Tante Dimity und der skrupellose Erpresser
schwerer zu werden. »Unser Witzbold ist ein bösartiges Biest. Mir gefällt der Gedanke nicht, dass Sie sich nachts dort oben herumtreiben. Ich bin augenblicklich zu nichts nütze.«
»Morgen werden Sie sich schon besser fühlen«, munterte ich ihn auf.
»Bleiben Sie bei mir«, murmelte er schläfrig.
»Ich bleibe bei Ihnen, bis Sie eingeschlafen sind.« Ich strich ihm das Haar aus der Stirn.
»Jetzt machen Sie die Augen zu.«
Die Pillen ersparten mir das Singen eines Wiegenliedes. Nach wenigen Minuten schlief Simon so fest, dass er sich nicht rührte, als ich mich über ihn beugte und ihm einen Kuss auf die Stirn gab.
»Danke«, sagte ich, da ich wusste, dass er es nicht hören konnte. »Du hättest mir nicht erzählen brauchen, dass Bill das Meeting abkürzen wollte. Du hättest es für dich behalten können.«
Es fiel mir nicht schwer mir vorzustellen, wie Bill sich für ein rasches Ende der Besprechung eingesetzt hatte, bis er gespürt hatte, dass Simon nicht wollte, dass sein geschwächter Zustand bekannt würde. Erst dann, aus Respekt für Simons unausgesprochene Wünsche, hätte er die Angelegenheit auf sich beruhen lassen.
Simon hatte mir, vielleicht ohne es zu wissen, ein großes Geschenk gemacht. Er hatte mich daran erinnert, dass Bill und Gina so verschieden waren wie Tag und Nacht, auch wenn sie ein paar Oberflächlichkeiten gemeinsam haben mochten. Bill könnte sich nie zu einer Frau hingezogen fühlen, die über Geld daherredete und nicht einmal spürte, dass es ihrem Mann nicht gut ging;
Bill stellte Moral stets über Profit, und er würde es ganz sicher frustrierend finden, mit jemandem zusammenzuarbeiten, für den diese Maxime nicht galt. Das Gefühl, das in seiner Stimme angeklungen war, als er Ginas Namen flüsterte, dürfte eher Frustration als Sehnsucht gewesen sein.
Ich war mir zwar noch immer nicht ganz sicher, was in den letzten drei Monaten zwischen ihnen vorgegangen war, aber ich war mir sicher, dass eine Frau wie Gina niemals Bills Herz berühren konnte.
»Ich wünschte, dein Leben wäre anders, Simon«, flüsterte ich. »Du verdienst etwas Besseres als Gina. Und wenn ich herausfinde, wer dich quält, dann hänge ich ihn – oder sie – an der nächsten Wäscheleine zum Trocknen auf.«
13
ICH SCHAUTE KURZ in den Salon hinein, um mich bei Lord Elstyn für mein Fehlen beim Abendessen zu entschuldigen, aber er war nicht anwesend. Er war auch nicht zum Dinner erschienen. Der Earl und seine tüchtigen Berater hatten sich das Essen auf Tabletts in das Arbeitszimmer bringen lassen. Dort waren sie auch jetzt noch.
Nell fehlte ebenfalls. Als ich nach ihr fragte, lachte Derek.
»Sie ist auf ihrem Zimmer und schreibt ein Essay über die Versnovellen der Marie de France«, sagte er. »Sie muss ihr Studium an der Sorbonne sehr ernst nehmen, wenn sie Marie de France mir und Emma vorzieht.«
»Mir macht es nichts aus«, meinte Emma mit einem vielsagenden Blick in meine Richtung.
»Ich finde es gut, dass sie sich in ihre Arbeit vertieft. So kriegt sie kein … Heimweh.«
Ich übersetzte Heimweh im Stillen mit Sehnsucht nach Kit Smith und nickte zustimmend. Je länger Nell von zu Hause fort war, desto leichter würde es für sie werden, über ihre Vernarrtheit in den Stallmeister der Harris hinwegzukommen.
»Simon ist erschöpft?«, fragte mich Claudia, nachdem sie meine Erklärung für seine Abwesenheit gehört hatte. »Das wäre ich auch, wenn ich den Vormittag in einem Raum mit Onkel Edwin eingesperrt gewesen wäre. Seit eurem Streit ist der Onkel ganz schlecht gelaunt, Derek.«
»Mein Vater ist schlecht gelaunt, seit …« Derek brach mitten im Satz ab, weil Emma ihm die Hand auf den Arm gelegt hatte.
»Wo hast du mit Simon zu Abend gegessen?«, fragte mich Emma und steuerte das Gespräch in vermeintlich sicherere Gefilde.
Ich kramte hastig in meinem Gedächtnis nach Erinnerungen an Salisbury, die von dem einen Tag stammten, den Bill und ich dort verbracht hatten, noch vor der Geburt der Zwillinge.
»Im Shuttleworth Inn«, antwortete ich und hoffte nur, dass es das Lokal noch gab. »Nachdem wir die Stufen des Kirchturms hinaufgeklettert und im römischen Hügelfort bei Old Sarum herumgelaufen waren, brauchten wir etwas Nahrhaftes. Um ehrlich zu sein, bin ich auch ganz schön ausgelaugt. Ich glaube, ich folge Simons Beispiel und gehe früh schlafen.«
»Willst du nicht auf deinen Mann warten?«, erkundigte sich Claudia.
»Bei Bill wird es wieder spät«, antwortete
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