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Tante Dimity und der skrupellose Erpresser

Tante Dimity und der skrupellose Erpresser

Titel: Tante Dimity und der skrupellose Erpresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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flüsterte ich aufgeregt.
    Mir war, als begegnete ich einer alten Freundin wieder. Edith Ann Malsons Werke waren seit über einem halben Jahrhundert vergriffen – und aus der Mode – wegen eines leicht schaurigen Humors, der bei Kindern gut ankam, besorgten Eltern jedoch Alpträume verursachte. Eine vollständige Serie der Romney , die Ratte  Geschichten von Malson war ein kleines Vermö gen wert, und in Dereks Regalen fand sich jeder einzelne Titel. Ich konnte es kaum abwarten, sie mir anzusehen, zwang mich jedoch, methodisch vorzugehen, und begann mit dem ersten Buch im obersten Regal.
    Fast zwei Stunden lang arbeitete ich mich sorgfältig durch Märchen, Legenden, Moralgeschichten, Artusromanzen, Naturführer und vereinfachte Geschichtsbücher über die Vorzüge des britischen Empire. Als ich endlich zu Edith Ann Malsons Büchern kam, schielte ich vor Müdigkeit.
    Ich schlug Romneys Reisen auf, das erste Buch der Serie, und kam nur bis zum Titelblatt. Voller Abscheu starrte ich auf die Seite. Jeder bunte Buchstabe war herausgetrennt worden, das E, das A und das M sowie beide Rs. Jetzt war ich hellwach, blätterte das Buch durch und sah, dass an vielen Stellen Buchstaben und Wörter ausgeschnitten worden waren.
    Als ich das Buch schloss, zitterten meine Hände, und ich war noch entsetzter als Jim Huang, als er entdeckte, dass ich vergessen hatte, Mansfield Park ins Regal zurückzustellen. Für manche Leute mochte Romneys Reisen nicht mehr als altmodische Papierverschwendung sein, für mich war es ein rares und wunderschönes Artefakt.
    Dass es jemand geschändet hatte, machte mich unendlich wütend.
    Ich holte ein paar Mal tief Luft, um mich zu wappnen, bevor ich Romney kehrt zurück aufschlug. Der zweite Band in Malsons Serie war nicht ganz so übel misshandelt worden wie der erste, aber auch hier fehlten Buchstaben, und schlagartig fiel mir auf, dass in beiden Bänden viel mehr Buchstaben fehlten, als man für die beiden Drohbriefe gebraucht hatte.
    Ich nahm die beiden Blätter aus der Tasche und legte sie nebeneinander auf den Boden.
    Der erste Brief bezog sich auf das Feuer.

    achte auf das vögelchen
    das könnte auch dir passieren
    verlasse hailesham sofort sonst

    Der zweite wies auf Simons Sturz von Deacon hin.

    schade dass du nicht auf den kopf gefallen bist
    mehr glück beim nächsten mal

    Der anonyme Verfasser hatte insgesamt 136  Buchstaben benutzt, um beide Botschaften zusammenzufügen, aber allein in den ersten beiden Büchern der Romney-Reihe fehlten weit über 200. Und was noch seltsamer war, keiner der beiden Briefe enthielt die Großbuchstaben, die aus der Titelseite des ersten Bandes herausgetrennt worden waren, E, A, M oder R.
    Hatte das bösartige Biest sich die anderen Buchstaben für weitere Briefe aufgehoben? Oder hatte Simon Drohungen erhalten, die er mir nicht gezeigt hatte?
    Mit grimmiger Entschlossenheit schlug ich den dritten Band der Serie, Romney , der Retter , auf und begann zu suchen. Ich hatte gerade den Teil erreicht, in dem die Ratte Romney Monmouth, die Maus, vor einem angriffslustigen Terrier rettet, als ich etwas sah, das mir einen Schauder den Rücken hinunterlaufen ließ.
    Auf der Seite, auf dem leeren Feld neben einer Illustration, kräuselte sich ein einzelnes Haar, das wie flüssiges Gold glänzte. Ich kannte nur eine Person, deren Haar auch an den trübsten Tagen so zu leuchten schien, und die saß gerade in ihrem Zimmer und schrieb ein Essay über Marie de France.
    »Nell«, flüsterte ich. »Nell, wie konntest du nur.«

    Eine Reihe von lebhaften Bildern zog an mir vorbei: Nell auf der Treppe, den Blick auf Simon gerichtet; Nell, die ein Stoffbündel in ein Feuer warf; Nell, die Deacon einen Engel nannte … Ich spürte eine Beklemmung. Zwischen Exzentrik und Wahnsinn gab es nur eine schmale Linie, und Nell hatte sie eindeutig überschritten, in der Absicht, ihren Vater zu schützen.
    Ich legte die goldene Strähne zwischen die Drohbriefe und faltete sie zusammen, bevor ich sie zusammen mit dem Rasiermesser in meine Tasche steckte. Die Bücher stellte ich wieder ins Regal, ich machte das Licht aus und verließ das Kinderzimmer. Ich war nicht mehr wütend. Ich fühlte mich elend.
    Aus dem Salon drang kein Laut mehr, als ich die Treppe hinunterging. Die anderen waren offenbar zu Bett gegangen. Ich sah noch einmal bei Simon vorbei, der tief und fest schlief. Auch in Bills Zimmer sah ich nach, aber er war nicht da, und ich trottete missvergnügt in mein eigenes

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