Tante Dimity und der skrupellose Erpresser
gelernt, Anspannung in meiner Stimme zu erkennen. »Ist was passiert?«, fragte sie.
»Ja, in der Tat«, sagte ich und berichtete ihr von Nells Reitunfall.
»Die Sache mit Nell tut mir sehr leid«, sagte sie schließlich. »Aber um Will und Rob brauchen Sie sich wirklich keine Sorgen zu machen. Sie tragen brav ihre Helme, und bis jetzt ist noch nie jemand von der guten alten Bridey gefallen. Und selbst wenn es einem von den beiden gelingen würde, Kit würde ihn ganz sicher auffangen.«
Annelise erzählte mir nichts, was ich nicht schon längst wusste, aber es tat gut, es noch einmal laut gesagt zu bekommen. Noch schöner war es zu hören, wie die Zwillinge aus lauter Freude über ihre unnachahmliche Stute laut juchzten. Ihr Enthusiasmus und ihre Freude brachten mich von dem Impuls ab, sie in Watte zu packen.
Unser Gespräch wurde von einem vertrauten Klicken unterbrochen, und als Annelise sich wieder meldete, meinte sie, sie müsse einen zweiten Anruf entgegennehmen. »Es ist Bill«, sagte sie zu mir. »Ich glaube, er möchte die Stimmen seiner Kinder hören.«
»Da bin ich sicher«, sagte ich, fügte schnell ein paar Grüße an die Jungen hinzu und legte auf.
Ich blieb eine Weile sitzen und sammelte meine Gedanken. Dann wandte ich mich an Reginald. »Meinst du, es macht Will und Rob was aus, wenn ich ihre Reitstiefel verbrenne?«
Reginald gab mir keine Antwort, aber ich wusste, was er gesagt hätte, wenn er die Gabe der Sprache besessen hätte.
»Sie würden Kit überreden, sie in Turnschuhen reiten zu lassen«, räumte ich resigniert ein und dankte dem Himmel, dass meine Söhne einen nicht unbeträchtlichen Teil meiner eigenen Sturheit geerbt hatten. Sie würden es nicht erlauben, dass ich sie in Watte packte, egal wie viel Mühe ich mir gab.
Ich steckte das Handy wieder in meine Schultertasche und ging ins Bad, um mir das verheulte Gesicht zu waschen. Ich trocknete mich gerade ab, da vernahm ich ein lautes Pochen an der Tür.
Ich öffnete sie und sah Simon vor mir. Er stand auf dem Flur und trug mit beiden Händen ein großes Silbertablett mit verschiedenen Speisen.
»Sorry, dass ich gegen die Tür getreten habe«, sagte er, »aber wie Sie sehen, hatte ich keine Hand frei.«
»Sie sollten nicht so schwere Sachen tragen«, tadelte ich ihn.
Er ignorierte meinen Einwand und schob sich an mir vorbei in das Zimmer.
»Ich bringe relativ gute Nachrichten«, verkündete er. »Nells Verletzungen sind nicht lebensgefährlich.«
»Gott sei Dank.« Ich stieß einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus.
»Und ich bringe Ihnen ein Frühstück. Oliver meinte, Sie hätten gar nichts gegessen.« Simon stellte das Tablett auf dem Rosenholztisch ab und wandte sich zu mir. »Er hat mir auch erzählt, dass Sie geweint haben, und das kann ich nicht zulassen. Kommen Sie her – aber passen Sie bitte auf.«
Er breitete die Arme auf eine Weise aus, die mir angemessen brüderlich erschien. Ich ging zu ihm und ließ mich sachte von ihm drücken.
»Ich weiß, wie es Ihnen gegangen ist«, sagte er leise. »Es zerreißt einem das Herz … Sie mögen mich für albern halten, aber ich habe vorhin meinen Sohn in Eton angerufen, nur um seine Stimme zu hören.«
Ich legte den Kopf nach hinten. »Ich habe genau das Gleiche getan, und was glauben Sie, wo meine Söhne gerade waren?«
Als ich es ihm erzählte, nickte er verständnisvoll. »Sie Ärmste. Ich hoffe, Sie haben jetzt nicht vor, Vorhängeschlösser an der Stalltür anzubringen.«
»Ich habe kurz mit dem Gedanken gespielt, ihre Reitstiefel zu verbrennen«, gestand ich,
»aber hätte das einen Sinn? Ein Leben ohne jedes Risiko ist kein Leben.«
Simons mitternachtsblaue Augen wanderten etwas unstet umher, als hätten meine Worte irgendetwas bei ihm ausgelöst. Er trat einen Schritt zurück und sagte unvermittelt: »Ihr Bill kann übrigens ziemlich brutal sein. Ich war schwer beeindruckt. Er hat die Ärzte so lange an den Stethoskopen geschüttelt, bis sie eine Diagnose ausspuckten. Nell hat sich die Schulter ausgekugelt und das Schlüsselbein gebrochen. Außerdem hat sie eine leichte Gehirnerschütterung.«
»Schlimm genug«, meinte ich. »Aber es hatte auch ein Schädelbruch sein können.«
»In der Tat«, stimmte Simon zu. »Aber jetzt muss ich los. Ich bin nach Hailesham geschickt worden, um Bertie zu holen, den man in dem ganzen Durcheinander völlig vergessen hat.«
»Dann los mit Ihnen.« Ich wedelte mit den Händen. »Und danke für das Essen. Ich glaube,
Weitere Kostenlose Bücher