Tante Dimity und der skrupellose Erpresser
mein Appetit kehrt langsam zurück.«
Als Simon fort war, sprach ich aus tiefstem Herzen ein Dankgebet. Dann setzte ich mich an den Tisch und machte kurzen Prozess mit dem Frühstück, das er mir gebracht hatte. Ich war zu überdreht und voll nervöser Energie, um den Rest des Tages mit Däumchendrehen zu verbringen, also schnappte ich mir mein Jackett und machte mich auf den Weg zu den Stallungen, in der Hoffnung, dort jemanden zu finden, der Nells Geschichte über die flohverseuchten Decken bestätigen konnte oder auch nicht.
Ich musste unbedingt wissen, ob Nell die Wahrheit gesagt hatte. Vielleicht war es nicht wichtig, aber es ließ mir keine Ruhe, vor allem nicht nach dem, was geschehen war.
Eine dichte graue Wolkenfront hatte sich vor die Sonne geschoben, als ich über den Hof ging, und ein frischer Wind zerstieb den Rauch, der aus den Schornsteinen der Werkstätten aufstieg.
Auf der Wiese hinter den Gewächshäusern standen ein halbes Dutzend Pferde, dicht gedrängt, um sich aneinander zu wärmen. Deacon war nicht dabei.
Ich fand den Apfelschimmel in einer separaten Box im Stall. Claudia war ebenfalls da. Sie lehnte an der Halbtür der Box und betrachtete Deacon eingehend.
»Sie haben ihn gefunden«, sagte ich, als ich näher kam.
Sie warf mir einen Blick zu, dann betrachtete sie wieder das Pferd. »Er hat den Weg zurück allein gefunden. Es ist äußerst seltsam. Er schien
… verängstigt.«
»Wovor sollte er Angst gehabt haben?«, fragte ich.
»Vor Zäunen offensichtlich«, antwortete sie schroff. »Aus dem wird nie ein Jagdpferd. Simon wird sich von ihm trennen müssen.«
Ich sah, wie das Pferd ganz ruhig an den Alfalfasprossen in der Futterkrippe knabberte. »Als Simon es das erste Mal versuchte, ist er doch sehr anständig über die Hürden gegangen.«
»Deacon ist starrköpfig und unzuverlässig«, stellte Claudia fest. »Wenn er mir gehören würde, ließe ich ihn einschläfern.«
»Nell wird wieder ganz gesund«, schob ich hastig ein und gab Simons Bericht von Nells Verletzungen weiter. Ich hätte angenommen, dass Claudia die Nachricht erfreut aufnehmen würde, aber sie schien sie nur noch zorniger zu machen.
»Das war eine ganz dumme Idee«, stieß sie zornig hervor. »Der Schock hätte Onkel Edwin töten können. Er hat schon einen Herzanfall gehabt. Ein weiterer könnte das Ende sein.«
Ich starrte sie an. »Das tut mir leid, Claudia, ich hatte keine Ahnung, dass Ihr Onkel so krank war. Weiß Derek …«
»Derek hat es sich zur Gewohnheit gemacht, so wenig wie möglich von seinem Vater wissen zu wollen«, unterbrach mich Claudia. »Onkel Edwin weiß schon seit langem, dass er von seinem Sohn weder Mitleid noch Hilfe zu erwarten hat.« Sie stieß sich von der Tür ab und rieb die Handflächen zusammen. »Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen, Lori, ich muss mich umziehen.«
»Ach, Claudia, einen Augenblick noch.« Ich überlegte rasch und musste schnell etwas erfinden. »Was ich Sie fragen wollte – gibt es hier Stellen, die man meiden sollte? Ich hörte, dass es hier Flöhe gibt.«
»Jetzt nicht mehr«, sagte sie. »Nell hat diese furchtbaren alten Decken gestern verbrannt. Ich hätte sie nicht mal mit der Kneifzange angefasst, aber Nell ekelt sich offenbar vor gar nichts.« Als Claudia an mir vorbeiging, fügte sie noch rasch hinzu: »Ich hoffe, die heutige Lektion bringt sie dazu, in Zukunft etwas vorsichtiger zu sein.«
Nachdenklich blieb ich vor Deacons Box stehen, bis ein warmer Lufthauch über meinen Nacken strich. Ich drehte mich um und sah mich dem Apfelschimmel gegenüber. Langsam hob ich die Hand und strich ihm über seine Samtnüstern.
Er schnaubte zufrieden.
»Du kommst mir gar nicht so starrköpfig vor«, murmelte ich. »Aber ich weiß auch nicht viel über Pferde.«
Ich streichelte ihn noch einmal, bevor ich in den Hof ging, wo ich erst einmal stehen blieb.
Mein Blick wanderte von der sorgsam gemähten Wiese zu den viktorianischen Gewächshäusern, von der Reihe der einfachen Werkstätten hin zu den verschlungenen Steinmetzarbeiten, die Haileshams Westfassade zierten.
» Im letzten Jahrhundert sind Hunderte von Landhäusern abgerissen worden «, hatte Simon gesagt. » Darunter Sehenswürdigkeiten , wie es sie nie mehr geben wird . Es ist ein Wunder , dass Hailesham überlebt hat , ein Wunder , das mehrere Generationen meiner Familie bewirkt haben
… «
Ich wusste jetzt, warum der Earl die jüngeren Mitglieder der Familie zusammengerufen hatte.
Die Zeit
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