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Tante Dimity und der unerhoerte Skandal

Tante Dimity und der unerhoerte Skandal

Titel: Tante Dimity und der unerhoerte Skandal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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»aber er machte den Eindruck, als wisse er nichts über sie.«
    Lucys Lippen wurden schmal. »Mein Vetter hat es in letzter Zeit für notwendig befunden, sich von dem Rest der Familie zu distanzieren, aber ich versichere Ihnen, er ist über Julia Louise bestens informiert. Ich habe dafür gesorgt, dass alle Familienmitglieder wissen, welchen Beitrag zur Firma sie geleistet hat. William hat sich ganz besonders für sie interessiert«, fuhr sie in versöhnlicherem Ton fort. »Und wer sollte das nicht tun? Sie war eine außergewöhnliche, tüchtige Frau. Nach dem Tod ihres Mannes verlegte sie die Firma von Bath nach London in der Überzeugung, dass ihre Söhne alle anderen Londoner Rechtsanwälte in den Schatten stellen würden.«
    »Und taten sie es?«, fragte Nell.
    »Einem gelang es«, antwortete Lucy. »Der ältere Sohn, Sir Williston Willis …«
    »Das ist auch der Name Ihres Onkels, nicht wahr?«, sagte ich und unterdrückte den idiotischen Impuls, hinzuzufügen: »Der Verrückte.«
    Lucy zögerte, als ob sie verunsichert sei, dann nickte sie. »In unserer Familie gibt es viele Willistons, aber Sir Williston war der erste. Er war ein pflichtbewusster und loyaler junger Mann. Als Julia Louise dieses Haus kaufte, versprach er ihr, dass es im Besitz der Familie bleiben werde, solange diese existierte. Wie Sie sehen, hat er sein Versprechen gehalten. Wir sind jetzt seit fast dreihundert Jahren hier.«
    Ehrfürchtig betrachtete ich Julias Bild und fragte mich, ob ich jemals Söhne haben würde, die ich auf ähnliche Weise inspirieren könnte. »Was geschah mit den anderen Söhnen?«
    »Sie hatte nur ein weiteres Kind«, erwiderte Lucy. »Lord William, Sir Willistons Zwillingsbruder.
    Ich fürchte, er war eine herbe Enttäuschung für sie.
    Er spielte, trank und ließ sich mit allen möglichen Frauen ein. Schließlich blieb ihr nichts anderes übrig, als ihn in die Kolonien zu schicken.«

    Ich sah sie an. »Sie meinen … er war der Stammvater des amerikanischen Zweiges der Familie?« Trotz meines Respekts vor Willis senior hätte ich beinahe laut losgelacht. Lord William, dessen Name über Generationen in der Familie weitergereicht worden war, dessen Porträt in Boston fast wie eine religiöse Ikone behandelt wurde, war nichts weiter als ein Verschwender gewesen, der von seiner Mutter in die Kolonien abgeschoben worden war, weil sie nicht länger gewillt war, sein schändliches Benehmen zu tolerieren. Die seriöse und respektable Familie Willis in Boston war von einem missratenen Zwilling gegründet worden. Ich konnte es gar nicht erwarten, Honoria und Charlotte diesen Leckerbissen zu servieren. »Und ist das der Grund, warum die beiden Familien so lange keinen Kontakt miteinander hatten?«, fragte ich fasziniert. »Weil Lord William in die Verbannung geschickt worden war?«
    »Das ist nur einer der Gründe«, sagte Lucy.
    »Lord William hat seiner Mutter und seinem Bruder schreckliche Dinge nachgesagt. Er behauptete, dass dieses Haus und alles, was darin ist, eigentlich ihm gehöre, und dass …«
    »Lucy?«, unterbrach Nell. »Sie haben gesagt, dass Sir Williston der ältere Sohn war. Wenn die Jungen Zwillinge waren, wie kann man dann …«

    »Sir Williston kam sieben Minuten vor seinem Bruder auf die Welt«, erklärte Lucy, »und dank Julia Louise können wir das auch beweisen. Wir haben die eidesstattliche Erklärung der Hebamme und zweier weiterer Zeugen. Julia Louise wollte nicht, dass die Erbfolge in Zweifel gezogen würde.«
    »Wenn man sich das vorstellt«, sagte ich und sah mich im Zimmer um, »wenn Lord William sieben Minuten früher auf die Welt gekommen wä re, dann würde das alles uns gehören.«
    »Aber leider …« Lucy drehte sich um, als die Tür sich öffnete. »Ah, vielen Dank, George.«
    Der Tee wurde gebracht. Ich sah zu, wie George den Teewagen zu Lucy schob, und stellte mit Erleichterung fest, dass außer dem silbernen Teegeschirr und den WedgwoodTassen auch Teller mit kleinen Törtchen und zierlichen Sandwiches darauf standen. Der Energieschub, für den mein süßes Frühstück gesorgt hatte, war am Abklingen.
    »Ich verstehe nicht, wie es überhaupt in Frage gestellt werden kann, wem dieses Haus gehört«, sagte ich, als George den Raum wieder verlassen hatte. »Es muss doch eine Urkunde darüber geben.«
    Lucy griff nach der Teekanne. »Gibt es auch.
    Leider ist sie bei den anderen Dokumenten, die ich meiner Mutter gerade letzte Woche für ihre Nachforschungen geschickt habe. Meine

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