Tante Dimity und der verhaengnisvolle Brief
zwei Vitrinen mit Glasfront, die eine verblüffende Sammlung von silbernen Schnupftabakdosen, venezianischem Glas, georgianischen Kerzenständern und Miniaturbüsten enthielt. Ein kleines Queen-Anne-Sofa mit Walnussholzrahmen war zusammen mit einem Armlehnstuhl aus der Zeit von George IV. und einem Gainsborough-Sessel mit originalbesticktem Polster vor dem Kamin arrangiert. Über dem Kaminsims hing ein holländisches Gemälde aus dem siebzehnten Jahrhundert, das auf einem zugefrorenen Kanal eislaufende Bauern zeigte, und auf dem Couchtisch, einem aus Rosenholz geschnitzten Stück aus der Regency-Epoche, tummelten sich antike chinesische Porzellanfiguren.
Ein drehbares Regency-Bücherregal erhob sich an der Ostseite zwischen einem Sheraton-Bibliotheksstuhl mit tiefem Sitz und einem mit goldenem Damast bezogenen Ohrensessel. Im letzten Winkel, wo ein Eckschrank aus Mahagoni stand, gruppierten sich vier Chippendale-Stühle mit unglaublich zierlichen Füßen um einen mindestens zweihundert Jahre alten Kartentisch aus indischem Satinholz.
»Das Spielezimmer«, murmelte ich mit einem Glucksen in der Stimme, doch dann trat mir das Bild einer kranken, alten Frau vor Augen, die in ihrer wunderschönen Wohnung einsam endlose Patiencen legte, und das Lachen blieb mir in der Kehle stecken.
Das Wohnzimmer hätte von Leben zeugen sollen, aber das tat es nicht. Jedes einzelne Möbelstück war so ausgesucht worden, dass alles perfekt passte, und jedes einzelne war in makellosem Zustand. Zwar trübte jetzt eine dünne Staubschicht auf den Holzoberflächen den Glanz, aber nicht eines war zerkratzt, angeschlagen oder befleckt, und auch wenn die prachtvollen Bezüge Spuren von Verschleiß verrieten, besaßen die Farben immer noch eine wundervolle Leuchtkraft.
Es war zu viel, einfach zu viel, um das alles auf einmal aufzunehmen. Ich fühlte mich überwältigt, erschlagen, als hätte ich mich bei einer allzu nahrhaften Speise nicht zurückhalten können. Jetzt konnte mich nur noch eines retten. Mit einer etwas zittrigen Hand fasste ich mich an die Stirn, dann zog ich das Handy aus der Umhängetasche und drückte die Kombination, unter der ich Bills Nummer gespeichert hatte.
Mein Mann entdeckte offenbar Anzeichen von beginnender Hysterie in meiner Begrüßung, denn sogleich wollte er wissen: »Was hast du, Lori?«
»Omeingott, omeingott!«, stammelte ich. »Das ist unglaublich, Bill. Es ist … einfach … total …
unglaublich ! Wenn du jetzt hier neben mir stehen würdest, du würdest es nicht glauben. Und ich habe erst zwei Zimmer gesehen! Wenn der Rest auch so ist, platzt mir der Kopf!«
»Ruhig durchatmen, Lori«, riet Bill. »Setz dich erst mal und hol tief …«
»Setzen soll ich mich?«, rief ich. »Wohin denn?
Ich kann auf keinem von diesen Stühlen sitzen! Sie sind nicht dazu da, um darauf zu sitzen ! Erinnerst du dich noch an das hübsche, kleine Pult, von dem Miss Beacham gesprochen hat? Sie muss im Delirium gewesen sein, als sie vorgeschlagen hat, dass ich es mitnehme. Ich könnte es nie im Cottage aufstellen, außer wir bauen einen Zaun drum herum, an dem sich die Zwillinge die Zähne ausbeißen.
Weißt du, was es ist? Ein Sheraton Revival! Das gehört in ein Museum !«
»Lori, Liebling.« Bill blieb ruhig. »Fangen wir von vorne an, einverstanden? Hast du Miss Beachams Wohnung gefunden?«
»Natürlich habe ich Miss Beachams Wohnung gefunden! Ich stehe in ihrem Wohnzimmer! Und wenn du mich fragst, hat sie den Korridor vor der Wohnung absichtlich so nüchtern und schmucklos gelassen, wie er ist, damit den Leuten die Augen aus dem Kopf fallen, sobald sie drinnen stehen!«
»Was ist denn nun drinnen?«
»Herrliche Dinge«, hauchte ich und fühlte mich auf einmal eng dem Mann verbunden, der als Erster die Grabkammer von Tutanchamun betreten hatte.
»Rosen-und Satinholz, Mahagoni, Brokat, feinste Petit-Point-Stickereien, Miniaturen, Schnupftabakdosen … ach, Bill, die Schnupftabakdosen allein würden dich schon aus den Socken reißen. Sie werden die Versteigerung bei Sotheby’s abhalten müssen. Kein anderes Haus ist in der Lage, solche Objekte zu übernehmen. Sie werden Professoren holen müssen, Historiker und Kunsthändler und … Experten .«
»Die Wohnung hat dich demnach etwas überrascht«, konstatierte Bill.
»Weißt du noch, wie ich zum ersten Mal Tante Dimitys Notizbuch aufgeschlagen habe?«, fragte ich. »Genauso ist es jetzt wieder.«
»Wow«, stöhnte Bill beeindruckt.
»›Wow‹ trifft es
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