Tante Dimity und der verhaengnisvolle Brief
freundlicher Raum gewesen – der ideale Ort, um Rosinenbrot zu backen, dachte ich wehmütig –, wenn der Tag denn hell und fröhlich gewesen wäre. Gegenüber der Doppelspüle stand ein säuberlich geschrubbter Kiefernholztisch, die Wände waren blassgelb gestrichen, die Arbeitsflächen waren von einem cremigen Weiß, den Fußboden bedeckten Terrakottafliesen, und die modernen Hängeschränke waren mit goldgelb schimmerndem Eichenholz furniert. Eine mit bunten Stecknadeln übersäte gelbe Korktafel war an einer weiteren Tür befestigt, die vermutlich zur Speisekammer oder einem Vorratsschrank führte.
Die Spüle stand unter einem großen Fenster, das die pralle Sonne hereingelassen hätte, nur dass sie heute nicht schien.
Und leider war der graue Tag bereits einer noch graueren Dämmerung gewichen. Ich sah auf die Uhr und stellte verblüfft fest, dass es bereits nach drei war – lange nach meiner normalen Essenszeit.
Das Versprechen, das ich Bill gegeben hatte, und mein kläglich knurrender Magen besiegelten meine Entscheidung, den Kühlschrank nur kurz zu inspizieren und mir die Vorratskammer und die Regale für später aufzuheben, nachdem ich etwas zwischen die Zähne bekommen hatte.
Das war ein vernünftiger Plan, und ich hätte ihn auch umgehend durchgeführt, wenn mich nicht ein grauenerregendes Heulen hätte erstarren lassen.
Erschrocken schrie ich auf, dann packte mich jäh lähmendes Entsetzen, als mein Blick auf das Kü chenfenster fiel, durch das mich zwei dämonische gelbe Augen anstarrten.
6
DIE GELBEN AUGEN blinzelten, und ein schwarzer Schemen nahm im Halbdunkel Gestalt an, als eine schwarze Katze das Maul aufriss und ein neuerliches schauriges Heulen ausstieß. »Du dummes Vieh!«, schrie ich und fasste mir ans wild pochende Herz. »Hast du mir einen Schrecken eingejagt! Ksch!
Ksch! Geh weg! Du gehörst doch gar nicht hierher.«
Doch die Katze drückte den Kopf an die Fensterscheibe, und plötzlich schoss mir in den Sinn, dass der regennasse Sims vier Stockwerke über der Straße lag.
»Wie um alles in der Welt bist du hier raufgekommen?«, fragte ich.
Die Katze pochte mit der Pfote gegen das Glas, dann stellte sie sich auf die Hinterbeine und presste die vorderen Pfoten gegen die rutschige Scheibe.
»Bist du verrückt?«, schrie ich und stürzte zur Spüle. »Sitz still, oder du brichst dir noch das Genick!«
Die Katze begann, auf dem Sims hin und her zu stolzieren und mit dem langen schwarzen Schwanz zu zucken, während sie lautstark weiterjammerte.
Ich klammerte mich an der Spüle fest und beobachtete das dumme Vieh, voller Angst, dass es am Ende noch abrutschte und kopfüber auf den für Miss Beachams nicht vorhandenen Wagen reservierten Parkplatz stürzte. Entschlossen sagte ich mir, dass ich ein fremdes Tier doch nicht in eine Wohnung lassen konnte, die mir nicht gehörte, schon gar nicht eine streunende Katze, die bestimmt ihre Krallen an Miss Beachams unersetzlichen Polstern schärfen und großzügig Haarbüschel auf den wertvollen Persern verteilen würde.
Aber ich konnte sie auch nicht abstürzen lassen, oder?
Dutzende von Warnlichtern blitzten in meinem Gehirn auf, doch ich ignorierte sie ausnahmslos, jagte zur Küchentür, um sie zuzuknallen, dann zurück zum Fenster und riss es auf. Die Katze schlüpfte herein, schüttelte sich die Regentropfen aus dem Fell, setzte sich auf die Arbeitsfläche neben der Spüle und richtete die Augen erwartungsvoll auf mich.
Es war ein kastrierter Kater, und er wirkte gut gepflegt. Narben oder andere Spuren von Verletzungen waren nicht zu sehen, und beunruhigend mager war er auch nicht. Im Gegenteil, für meine Begriffe war er außerordentlich stattlich. Seine weit auseinanderliegenden Augen waren so gelb wie Löwenzahnblüten, seine Schnurrhaare wunderbar lang, und sein schwarzes Fell glänzte wie Samt. Er schien ein gesundes, gut genährtes Haustier zu sein, das sich nur durch seine Neugier zu diesem gefährlichen Aufstieg hatte verleiten lassen.
»Du weißt doch, was die Katze umgebracht hat, oder?«, murmelte ich ernst. »Wenn ich nicht so furchtbar weichherzig wäre, hättest du jetzt nur noch acht Leben. Katzen landen nämlich nicht immer auf den Füßen. Wahrscheinlich erwartest du jetzt, dass ich von Tür zu Tür gehe und mich nach deinem Eigentümer erkundige.«
Der Kater starrte ostentativ zum Hängeschrank über seinem Kopf hinauf, stieß ein klagendes Miauen aus und pochte mit einer feuchten Pfote an der Tür.
»Voller
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