Tante Dimity und die unheilvolle Insel
die etwa eine halbe Meile vor dem Strand aus den Wellen ragte. »Was ist das da draußen? Hat es einen Namen?«
»Eine Insel, und sie heißt Cieran’s Chapel«, informierte mich Damian. »In dieser Gegend gilt sie als berühmtes Wahrzeichen. Laut örtlicher Legende ist ein Mönch namens Brother Cieran, der im achten Jahrhundert im Kloster von Erinskil gelebt haben soll, dort hinausgerudert, um in der Einsamkeit zu meditieren.«
Ich legte den Kopf schief. »Stimmt«, meinte ich launig, »das kann ich mir gut vorstellen, dass einem das wilde Leben in so einem frühmittelalterlichen Kloster ganz schön auf die Nerven gehen konnte. Man muss sich das nur mal vorstellen: Zu jeder Stunde rattern zahllose Mönche mit möglichst lauter Stimme ihren Rosenkranz herunter und schmettern irgendwelche heiligen Gesänge …«
»Das dürfte ihn in der Tat ziemlich abgelenkt haben.« Damian blickte auf seine Armbanduhr.
»Wir sollten gehen, Lori. Bald wird das Mittagessen serviert, und wir wollten uns noch das Kinderzimmer anschauen.«
Ich nickte. »Gut, ich folge Ihnen.« Und während wir zurück ins Wohnzimmer gingen, überlegte ich, ob der Einsiedler Bruder Cieran für Humor vielleicht genauso wenig empfänglich gewesen war, wie es mein Leibwächter zu sein schien.
Als Will und Rob mir gezeigt hatten, was es in ihrem Zimmer alles zu entdecken gab, war ich davon überzeugt, dass sie nie wieder bereit sein würden, Dundrillin Castle zu verlassen.
Die Wohnung im vierten Stock wurde unter normalen Umständen die Rosensuite genannt, und tatsächlich war das blasse Pink der Rosenblüten die vorherrschende Farbe. Vom Grundriss her war sie mit der Kornblumensuite identisch, doch waren hier die Fenster der Sicherheit halber vergittert, die Balkontür war verriegelt und auch der mächtige Kamin rundherum von einem hohen Gitter umgeben. Im Schlafbereich standen ein Doppelbett sowie ein Feldbett für Andrew, und das Wohnzimmer war in ein wahres Wunderland für Kinder verwandelt worden.
Aus bunt bemalten Schränken quollen Spiele, Puzzles, Bauklötze, Knetmasse, ausgestopfte Tiere und eine aberwitzige Sammlung von Spielsachen. Bücherregale stöhnten unter dem Gewicht von Bilderbüchern, Staffeleien trugen Zeichenblöcke in verschiedensten Größen, und ein ganzer Tisch war Wasserfarben, Fingerfarben, Buntstiften und Wachsmalkreiden gewidmet. Am besten gefielen mir zwei Schaukelpferde, die den grauen Ponys meiner Jungs, Thunder und Storm, auffallend ähnelten. Wie Percy in so kurzer Zeit so viel hatte heranschaffen können, war mir ein Rätsel, aber gleichzeitig wuchs meine Dankbarkeit ins Unermessliche.
Während Will und Rob Damian eine Sammlung kleiner Ritter in Rüstung vorführten, zog mich Andrew Ross ein Stück beiseite.
»Ihre Söhne haben mir angeboten, mir Gutenachtgeschichten vorzulesen«, berichtete er.
»Nehmen die zwei mich auf den Arm?«
»Nein«, antwortete ich. »Sie können wirklich lesen. Mir ist nicht ganz klar, wie sie es gelernt haben, aber letzten Juni ist es mir zum ersten Mal aufgefallen.« Ich senkte die Stimme. »In unserem Dorfladen hat es damals mit den Zwillingen einen peinlichen Vorfall gegeben, ausgelöst von der Schlagzeile einer Boulevardzeitung über einen Bischof, der gerade auf Besuch war. Seitdem verkaufen sie die Zeitungen nur noch unter dem Ladentisch.«
Andrew brach in dröhnendes Lachen aus. Als Zuhörer war er schon mal viel angenehmer als Damian.
Ich deutete mit dem Kinn auf den Schlafbereich. »Ihr kampiert hier alle zusammen, wie ich sehe.«
»Wir wollen auch die meisten Mahlzeiten mit raufnehmen«, sagte Andrew. »Natürlich nur, wenn Sie es erlauben.«
»Wenn die Jungs es so wollen, habe ich nichts dagegen.« Ich wandte mich zu den Zwillingen um.
»Rob? Will? Möchtet ihr mit mir runterkommen?«
» Müssen wir denn unbedingt? «, fragten sie wie aus einem Mund. »Wir kriegen doch Fischstäbchen zum Mittagessen!«
Damit war der schlagende Beweis erbracht: Gegen den Genuss von Fischstäbchen zum Mittagessen kam auch noch so geballte Mutterliebe nicht an. Ohne die geringsten Gewissensbisse ließ ich die Zwillinge im Kinderzimmer zurück.
Percy hatte im Esszimmer einen Kronleuchter aus Waterford-Kristall an der Decke anbringen und die Wände mit karmesinroter Seide bespannen lassen. Der Küchentrakt, der ursprünglich im Erdgeschoss gelegen hatte, befand sich jetzt neben dem Esszimmer.
»Wäre doch ein Unsinn, die Mahlzeiten meilenweit durch zugige Korridore zu schleppen«,
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