Tante Lisbeth (German Edition)
mir gesagt, wenn sich die jungen Eheleute wieder versöhnen. Wenn wir ohne Lisbeth wirtschaften müßten, würden sich die Ausgaben hier verdreifachen.«
Der Baron, der die ärgerliche Angelegenheit seiner Tochter erst jetzt erfuhr, sagte nichts weiter als:
»Was das anbelangt, so werde ich es schon wieder in Ordnung bekommen!«
»Gut! Und wie steht es mit der anderen Sache? Marneffes Beförderung?«
»Ja das«, entgegnete Hulot, indem er den Blick senkte, »das ist schwieriger, um nicht zu sagen: unmöglich!«
»Unmöglich, lieber Hektor?« flüsterte Valerie. »Weißt du denn nicht, wozu sich mein Mann hinreißen lassen kann? Ich bin in seiner Macht. Wo sein Interesse in Frage kommt, kennt er – wie alle Männer – keine Moral, und er ist maßlos rachsüchtig. In dem Zustande, den ich dir verdanke, bin ich seiner Willkür überlassen. Ich bin gezwungen, mich ihm ein paar Tage lang hinzugeben. Er ist fähig, sich das zur Gewohnheit zu machen ...«
Hulot sprang vor Wut in die Höhe.
Valerie fuhr fort:
»Er läßt mich in Ruhe unter der Bedingung, daß er Kanzleidirektor wird. Es ist gemein, aber logisch.«
»Valerie, liebst du mich?«
»Mein Lieber, diese Frage bei meinem Zustande ist lakaienhaft!«
»Aber wenn ich den Versuch mache, den bloßen Versuch, den Marschall um die Beförderung deines Mannes zu bitten, könnte es geschehen, daß ich wie Marneffe zum Teufel gehe ...«
»Ich glaubte, der Marschall und du, ihr wäret vertraute Freunde?«
»Gewiß! Er hat mir das stets bewiesen, aber, mein liebes Kind, über dem Marschall gibt es noch eine höhere Macht, den ganzen Ministerrat. Wenn wir uns ein wenig Zeit nehmen, wenn wir lavieren, werden wir schon zum Ziele gelangen. Um es zu erreichen, müssen wir die rechte Gelegenheit abwarten, bis man einen Dienst von mir verlangt. Dann kann ich sagen: Eine Hand wäscht die andere!«
Valerie entgegnete:
»Armer Hektor, wenn ich das Marneffe sage, dann spielt er uns irgendeinen schlimmen Streich! Sag es ihm nur selber. Ich kann das nicht übernehmen. Ach du lieber Gott, ich weiß, was mir bevorsteht. Er wird seine Wut an mir auslassen. Ich kriege ihn nicht aus meinem Schlafzimmer heraus ... Du, vergiß nicht die zwölfhundert Francs Rente für den Kleinen!«
Hulot nahm Marneffe beiseite. Er fühlte sich beengt. Zum ersten Male ließ er von der hochmütigen Art und Weise, die er bisher immer bewahrt hatte. So sehr war ihm die Aussicht, den verseuchten Kerl im Schlafzimmer der hübschen Frau zu wissen, auf die Nerven gegangen.
»Mein lieber Marneffe«, begann er, »heute war von Ihnen die Rede. Aber mit der Beförderung zum Kanzleidirektor geht es nicht so auf den ersten Anhieb. Dazu gehört doch ein wenig Zeit.«
»Ich werde es, Herr Baron!« erwiderte Marneffe schroff.
»Wieso, Verehrtester?«
»Ich werde es, Herr Baron!« wiederholte Marneffe kalt, indem er erst Valerie und dann den Baron anblickte. »Sie haben meine Frau in die Zwangslage versetzt, sich wieder an mich heranzumachen. Ich werde sie festhalten. Sie ist doch ein scharmantes Weib, nicht, Verehrtester?« Er lächelte in teuflischer Ironie. »Hier bin ich mehr der Herr als Sie im Ministerium.«
Der Baron empfand einen schmerzhaften Krampf. Er biß die Zähne zusammen; das Weinen war ihm nahe.
Während dieser kurzen Unterhaltung teilte Valerie dem Marquis leise die angebliche Annäherung an ihren Mann mit. Damit hielt sie auch diesen Liebhaber auf einige Zeit von sich ab.
Von den vier Getreuen wurde allein Crevel von dieser Maßregel verschont. Das war der Anlaß einer wahrhaft unverschämten Glückseligkeit in seinen Mienen, die selbst Valeries vorwurfsvollen Blicken und Winken trotzte. Seine Vaterschaftsfreude durchleuchtete ihn. Als ihm die Geliebte einen Vorwurf zuflüsterte, ergriff er sie bei der Hand und sagte zu ihr:
»Meine Prinzessin, morgen sollst du dein kleines Schloß bekommen! Morgen wird der Kauf perfekt.«
»Und die Einrichtung?« meinte sie lächelnd.
»Ich habe tausend Aktien der Baugesellschaft >Versailles, linkes Ufer< gekauft, zu 125. Durch die Vollendung zweier neuen Straßen werden sie auf 300 steigen. Ich bin insgeheim orientiert worden. Du sollst fürstlich eingerichtet werden. Aber nicht wahr, du wirst nur noch mir angehören?«
»Gewiß, Dickerchen«, lachte das bürgerliche Exemplar der Madame de Merteuil. »Aber beherrsche dich! Respektiere die künftige Frau Crevel!«
»Lieber Vetter«, sagte Lisbeth zu Hulot, »ich werde morgen vormittag zeitig zu
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