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Tanz auf Glas

Tanz auf Glas

Titel: Tanz auf Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ka Hancock
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wieder in seinem Büro in Brinley?«
    »Nein, Liebes. Heute und morgen ist er in New Haven, und am Freitag muss er zu einer Gerichtsverhandlung nach Hartford. Er ist gestern Abend erst nach elf Uhr gelandet, sonst hätte er dich gleich angerufen. Hat es noch Zeit bis zum Wochenende?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Dann ruf ihn in New Haven an. Er wird sich schon Zeit für dich freischaufeln.«
    »Danke. Ich muss jetzt Schluss machen, Jan, ich bin gerade beim Arzt.«
    »Ist alles in Ordnung?«
    »Ja, nur die übliche Routineuntersuchung. Ich melde mich später noch mal.« Ich legte auf und hätte am liebsten gleich in New Haven angerufen, doch ich hörte Dr. Gladstones Stimme direkt vor der Tür und beschloss, es lieber nicht zu riskieren. Kurz darauf kamen er und Mickey wieder herein. Mickey wirkte bekümmert, doch sein Gesichtsausdruck sagte mir, dass ich das nicht merken sollte. Der Arzt steckte wieder die kleine Klammer an meinen Finger und zeigte mir hocherfreut den Wert von dreiundneunzig auf dem Monitor. »Okay, das ist sehr gut. Ich möchte, dass Sie so oft wie möglich am Sauerstoff hängen, Lucy. Sie dürfen kurze Pausen machen, aber mehr nicht.«
    Ich nickte.
    »Machen Sie bitte einen Termin für Montag, dann kontrollieren wir wieder Ihre Sauerstoffsättigung.«
    »Ist gut.«
    Er notierte noch etwas in meiner Akte, dann wandte er sich Mickey zu und klopfte ihm auf die Schulter, ehe er hinausging. Mickey wollte offensichtlich nicht darüber reden, was die beiden besprochen hatten, also fuhren wir schweigend nach Hause, bis er schließlich fragte, warum ich ihm nichts von dem Anfall erzählt hatte.
    »Entschuldige bitte. Es war nur dieses eine Mal, und er war gleich vorbei, nachdem ich ein Glas Wasser getrunken hatte.«
    Mickey wandte den Kopf und sah mich an. »Falls das wieder passiert, will ich es wissen.«
    »Okay.«
    Nachdem wir eine Minute lang durch diverse Scheiben gestarrt hatten, nahm Mickey meine Hand und küsste sie, und ich spürte, wie die Spannung zwischen uns verflog.
    Zu Hause stellte Mickey den Motor ab, machte aber keine Anstalten auszusteigen. Er drehte sich zu mir um und fragte, ob ich müde sei.
    »Ein bisschen.«
    »Dann geh und ruh dich aus. Ich habe noch etwas zu erledigen.«
    »Wo willst du denn hin?«
    »Ich muss rüber nach East Lyme, Vorstellungsgespräch mit einem potenziellen neuen Manager. Und dann zur Blutabnahme. Ich habe um eins einen Termin bei Gleason.«
    »Gut, ich lege mich ein bisschen hin. Und dann fahre ich wohl in die Stadt, ich brauche ein paar Schlafanzüge.«
    »Schön. Ich rufe dich an, wenn ich fertig bin. Ich könnte uns doch etwas zu essen mitbringen. Und vielleicht einen Film.«
    »Okay.« Ich beugte mich zu ihm hinüber, und aus dem flüchtigen Kuss, den ich ihm hatte geben wollen, wurde ein langer.
    »Ich liebe dich«, murmelte ich. »Bis später.«
    Ich stieg aus und ging langsam zur Haustür. Als ich mich umdrehte, schaute Mickey mir immer noch nach. Er hob die Hand, als wolle er winken, tat es aber nicht und ließ auch den Wagen nicht wieder an. Wir starrten einander ein paar Augenblicke lang an, dann schloss ich die Tür auf und ging hinein. Weitere Sekunden später hörte ich endlich den Motor anspringen.
    Ich fand es grässlich. Ich hasste dieses schwerfällige, quälend langsame Tempo, das unser gemeinsames Leben angenommen hatte. Ich hasste den Kummer in jedem Blick, die Angst in jedem Atemzug, die Schauspielerei. Genau das hatte mein Vater wahrscheinlich gemeint, als er sagte, der Tod sei der leichteste Teil. Das Sterben dagegen war eine ganz andere Sache.
    Ich war müde, das stimmte, aber schlafen würde gegen diese Art Müdigkeit nicht helfen. Schließlich waren meine Atemzüge gezählt, und ich hatte keine Lust, sie schlafend zu verschwenden. Ich sah auf die Küchenuhr. Nach New Haven waren es nur fünfunddreißig Minuten, und wenn Harry Zeit für mich hatte, konnte ich wieder zu Hause sein, ehe auch Mickey wieder da war.
     
    Ich fühlte mich nicht gut, als ich Harrys Kanzlei verließ. Aber auf dem Weg aus dem Bürogebäude brach mir kalter Schweiß aus. Wenn ich mich nicht sofort hinsetzte, so fürchtete ich, würde ich ohnmächtig werden. Ich wusste, dass es irgendwo im Erdgeschoss ein Café gab, also kehrte ich um und ging wieder hinein. Sobald ich saß, bat ich die Kellnerin um ein Glas Wasser und behauptete, ich warte noch auf jemanden, damit sie mich in Ruhe ließ. Doch als sie sich von mir abwandte, fühlte ich mich so schutzlos, allein und

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