Tanz auf Glas
Darauf lachte ich. Mir waren die Haare ausgefallen, und Priscilla hatte mir eine ganz grauenhafte Perücke gekauft – Farrah Fawcett für Arme. Und ich hatte so sehr abgenommen, dass ich damit eher aussah wie eine zwölfjährige Nutte als wie einer von Charlies Engeln. Das fand sogar Priscilla.
Dann kam ein Foto von Mickeys Dad und mir auf den Überresten dessen, was einmal sein Haus gewesen war, ehe Katrina zugeschlagen hatte. Wir hatten natürlich von dem Hurrikan erfahren und uns ins nächste Flugzeug gesetzt. Mics Vater hatte geweint, als wir unerwartet vor ihm standen, doch er hatte sich geweigert, mit uns nach Hause zu kommen. Er besaß ein kleines Restaurant in der Nähe der Bourbon Street, und das wollte er nicht einfach aufgeben. Das nächste Foto hatte ich am Tag unserer Abreise selbst gemacht – Mics Vater, der seinen Sohn umarmte, und wenn Dankbarkeit ein Gesicht hatte, dann das dieses alten Mannes. Jedes Bild in dem Buch war eine Erinnerung. Unser erstes Weihnachtsfest, an dem der Baum umgekippt war. Das zweite, an dem der Baum so groß war, dass er nicht ins Haus passte. Eine Menge Fotos von uns auf dem Boot. Eines von Mickey bis zu den Ohren im Laub, kurz vor einem Herbstfeuer. Und eines von uns in Cancún, wo wir uns für fünf Dollar von einem kleinen Mädchen Zöpfe hatten flechten lassen. Dieses Buch war das schönste Geschenk, das Mickey mir je gemacht hatte.
»Was wir alles Schönes erlebt haben«, sagte ich und strich über den Einband. Und da wir heute so optimistisch waren, fügte ich hinzu: »In elf Jahren will ich wieder eines.«
Mickey fuhr mit den Fingern in mein Haar und verwuschelte es. »Versprochen.«
Ich schlug das Buch wieder auf und blätterte es noch einmal von vorn durch.
Danach wurde das Wochenende immer besser. Am Samstagmorgen kam ich gerade aus der Dusche, als Mickey mir das Telefon brachte.
»Jan möchte dich sprechen«, sagte er und küsste mich auf den Kopf.
»Hallo, Jan.«
»Na, wie geht’s meiner werdenden Mama?«
»Es geht«, sagte ich ein wenig außer Atem.
»Meinst du, du könntest kurz zu mir rüberkommen? Ich muss mir mal deine Nase ansehen.«
Ich lachte.
»Ich weiß, das klingt albern, aber das Porträt für das Cover deines Märchens ist fast fertig, und ich will mich vergewissern, dass ich deine Nase richtig gezeichnet habe.«
Nachdem ich meine Jeans angezogen und mir das Haar geföhnt hatte, hätte ich schon wieder ein Nickerchen machen können. Auf einmal strengten mich die geringsten Kleinigkeiten so an. Aber ich würde mich später ausruhen. »Mic!«, rief ich. »Bin gleich wieder da. Ich gehe nur kurz zu Jan.«
»He, was ist mit deinem Sauerstoff?«
»Dauert nur zwei Minuten.« Und länger hatte ich auch nicht bleiben wollen, als ich durch Jans Küchentür trat. Doch all unsere Nachbarinnen waren bei ihr. Es summte nur so vor weiblicher Energie, und Jan umarmte mich und sagte: »Willkommen zu deiner Babyparty, meine Süße!«
Mir blieb der Mund offen stehen.
»Wurde aber auch Zeit, dass du kommst«, sagte Lily und umarmte mich ebenfalls.
»Was habt ihr …«, begann ich staunend. Da war ein Berg süßes Gebäck von Matilda Hines. In Jans Wohnzimmer wurde gerade der Babyquilt aufgehängt, auf dem Couchtisch stapelten sich Geschenke. Und wo ich auch hinschaute, sah ich Rosa. Luftschlangen, Ballons, und eine große Girlande in rosafarbenen Buchstaben verkündete: »Es ist ein Mädchen«. Ich war zu Tränen gerührt. Diana Dunleavy bemühte sich, trotz ihrer Traurigkeit zu lächeln, als sie mich bei der Hand nahm und zu einem Sessel führte. Muriel Piper stopfte mir ein Kissen in den Rücken und gab mir einen Kuss auf die Wange. Charlotte nahm mein Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger. »Wie fühlst du dich, Liebes?«
»Ich bin fassungslos. Völlig fassungslos.«
Gleich darauf kam Mickey mit meinem Sauerstoffgerät herein, und die Damen johlten und neckten ihn. Er erwiderte grinsend, nur ein mutiger Mann würde sich in ein Haus voller Hormone und Parfüm wagen. Er beugte sich mit einer lüsternen Grimasse zu Wanda Murphy hinab und fügte hinzu: »Für mich gibt es allerdings kein schöneres Haus.« Er hängte mich an den Sauerstoff und küsste mich zum Abschied. »Viel Spaß!«
Lainy Withers machte ihm einen Teller Köstlichkeiten zurecht und schickte ihn nach Hause. Lily brachte mir Saft und einen Muffin, und Priss, die fotografiert hatte, reichte Jan ihre Kamera.
»Würdest du eines von uns machen?«
»Unbedingt!«
Priss setzte
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