Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tanz auf Glas

Tanz auf Glas

Titel: Tanz auf Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ka Hancock
Vom Netzwerk:
bemerken, dass er mit einer Flüssigkeit bedeckt war, die er für Blut hielt. Er hopste und wand sich am Kopf der Treppe, um die blutende Stelle an seinem nackten Körper zu finden. Ich rannte durch das Foyer, wobei ich den rutschigen Farbpfützen so gut wie möglich auswich.
    »Mickey! Liebling, ist schon gut. Das ist kein Blut. Mickey, hörst du mich?« Er schlug sich mit beiden Händen ins Gesicht, und ich fürchtete, er würde auf den glitschigen Stufen ausrutschen und die Treppe herunterfallen. Als ich ihn erreichte, versuchte ich ihn an der Hand zu packen, doch sie entglitt mir.
    »Was passiert mit mir? Nein, nein!«, schrie er atemlos mit einer seltsamen Singsangstimme, die immer panischer wurde. »Was ist das für ein Zeug?«
    »Mickey! Liebling!« Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Er reagierte nicht auf mich, obwohl ich direkt vor ihm stand und ihn anschrie. Ich lief ins Bad, holte ein Handtuch, legte es ihm um die Schultern und schlang die Arme um ihn. »Mickey? Mickey! Sieh mich an, Schatz!«
    Er zitterte und grunzte wie ein Tier. Ich hielt ihn fest, so gut ich konnte, aber er war stärker als ich, und wovor er sich auch fürchten mochte, es verlieh ihm noch größere Kräfte.
    Ich hörte unten Schritte und fragte mich, ob Mickey tatsächlich einen Immobilienmakler herbestellt hatte. Doch es war ein Polizist, der eine Hand an die Waffe gelegt hatte. Er zog sie und sagte: »Sie beide kommen jetzt bitte hier herunter.«
    Das ließ Mickey eine Sekunde lang innehalten. Ich selbst konnte diese Szene zuerst überhaupt nicht einordnen. Doch dann erinnerte ich mich an das blitzende Blaulicht hinter mir. Offenbar war ich genau diesem Polizisten mit Vollgas davongefahren.
    »Gott sei Dank!«, donnerte Mickey. »Sehen Sie mich nur an! Ich blute wie ein angestochenes Schwein. Ich wurde angeschossen, und gerade habe ich mir gedacht, ich brauche einen Polizisten, und schon sind Sie da. Was machen Sie hier? Warum klopfen Sie nicht an, wie es sich gehört? Sie können doch mit Ihrer kleinen Pistole und Ihrem kleinen Abzeichen nicht einfach hier einbrechen. Ich habe Rechte! Ich habe eine rechte Hand und einen rechten Fuß. Sie wahrscheinlich auch!«
    »Mickey, sei still!«
    Mickey fuhr zu mir herum und riss sich das Handtuch herunter. »Wer zum Teufel sind denn Sie? Raus aus meinem Haus.«
    »Sir, bitte.« Der Polizist war ein paar Schritte auf die Treppe zugegangen und fixierte Mickey mit strengem Blick, um ihn zur Vernunft zu bringen, doch Mickey hatte eine halb geduckte Haltung eingenommen, wie eine Katze vor dem Sprung. Ich holte tief Luft und ignorierte mein hämmerndes Herz. Dann trat ich vor Mickey und sagte zu dem Polizisten: »Bitte rufen Sie einen Krankenwagen. Mein Verlobter ist nicht gefährlich, er ist nur nackt und halluziniert, und ich muss ihn ins Krankenhaus bringen. Bitte helfen Sie mir, ja?« Als er mich weiterhin wachsam anstarrte, fuhr ich fort: »Hören Sie, deshalb bin ich so schnell hierhergefahren. Mein Name ist Lucy Houston. Das ist Mickey Chandler. Er wohnt hier. Nachher können Sie mich gern verhaften, aber im Augenblick hat mein Verlobter einen Anfall. Er blutet nicht. Er wurde nicht angeschossen. Er ist manisch-depressiv, und wie Sie sehen, geht es ihm gerade nicht gut. Bitte!« Ich hatte die Stimme gehoben, um Mickeys gemurmelte Obszönitäten zu übertönen, mit denen er sich wieder daranmachte, das Treppengeländer zu ruinieren.
    Der Polizist fand meine Erklärung offenbar einleuchtend genug, um die Waffe sinken zu lassen und einen Krankenwagen zu rufen.
    »Danke sehr«, sagte ich und merkte erst jetzt, dass ich zitterte.
    Eine Stunde später war Mickey in demselben Krankenhaus, in dem wir ein Jahr zuvor die halbe Nacht lang geredet hatten, in einem Bett festgeschnallt, mit Farbe verschmiert, schweißgebadet und psychotisch. Er erkannte mich immer noch nicht. In der Welt, in die er abgestürzt war, war ich eine Fremde. Vor meinen Augen hatte sich das entwickelt, was in diesem Moment zu seinem Höhepunkt gelangte, und mir war zu keinem Zeitpunkt bewusst gewesen, was ich da sah. Ich war so naiv gewesen, mich über seine energiegeladene Stimmung zu freuen! Und nun war ich entsetzt darüber, wohin sie geführt hatte. Irgendwie hatte Mickey das Ausmaß dessen, was mit ihm geschah, vor mir verborgen. Offenbar hatte er trotz seines Versprechens auch vor mir diese Maske getragen, von der er mir so viel erzählt hatte.
    Eine mürrische Schwester gab sich alle Mühe mit ihm, aber Mickey spuckte

Weitere Kostenlose Bücher