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Tanz auf Glas

Tanz auf Glas

Titel: Tanz auf Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ka Hancock
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als trüge sie hier alle Verantwortung und ihr Kind brauche sich um nichts zu sorgen. Aber diesen Tag habe ich ganz deutlich als den Tag in Erinnerung, an dem meine Mutter zu sterben begann. Vier Monate später, kurz nach meinem siebzehnten Geburtstag, war es dann zu Ende.
    Priss’ altes Zimmer war das neben Moms Schlafzimmer, und ich wusste, dass ich dort einquartiert worden war, weil Mom mich in ihrer Nähe brauchte. Sie wollte nicht allein sein, mich das aber auch nicht spüren lassen, glaube ich. Jedenfalls habe ich in diesen vier Monaten keine einzige Nacht durchgeschlafen. Gegen Ende schlief ich gar nicht mehr in Priss’ altem Zimmer, sondern in dem Sessel neben Moms Bett. Auch in ihren guten Nächten.
    Manchmal, wenn sie aufwachte und mich dort entdeckte, schalt sie mich und mahnte, ich hätte doch morgen Schule. Aber das waren nur Worte, die sie mit ausgetrockneten Lippen flüsterte. Statt ihr zu antworten, gab ich ihr etwas zu trinken oder steckte ihr einen kleinen Eiswürfel in den Mund. Manchmal griff sie nach meiner Hand und zog mich zu sich heran, und dann spürte ich, wie schrecklich heiß sie war, obwohl sie sagte, ihr sei eiskalt.
    In gewisser Weise war ich beinahe wie eine frischgebackene Mutter, verantwortlich für einen Menschen, der in allem völlig von mir abhing. Während ich jetzt auf Priss’ Fensterbank saß und mir den gereizten Magen rieb, wurde mir bewusst, dass ich schon ein paar Lektionen im Bemuttern gelernt hatte. Harte Lektionen. Ich war da gewesen, als Charlotte diese schrecklichen, unwiderruflichen Worte zu meiner Mutter sagte: Krebs. Aggressiv. Therapieresistent. Schlechte Prognose. Meine Hand war es, nach der sie griff, als die Flut dieser grausigen Wörter sie zu ertränken drohte. Meine Tränen waren es, die ich in ihrer Gegenwart eisern zurückhielt, aus Angst, ihre Angst damit noch zu verschlimmern.
    Ich war allein, als Dr. Barbee mir erklärte, was zu tun war und was wir zu erwarten hatten. Und sie hielt eine richtige kleine Rede, mit der sie mich ermuntern und mir bewusst machen wollte, dass ich meine Kindheit hiermit offiziell hinter mir gelassen hatte. Mit sechzehn war ich nun
faktisch,
hatte sie gesagt, eine Erwachsene in der Erwachsenenwelt.
    Dr. Barbee brachte mir bei, den Katheter meiner Mutter zu entleeren und die Urinmenge zu messen, und sie schärfte mir ein, sie anzurufen, wenn die Ausscheidung einen bestimmten Wert unterschritt, damit sie meine Mutter an den Tropf hängen konnte. Sie zeigte mir, wie ich Mom die Spritzen geben musste, um die sie betteln würde, wenn der Schmerz unerträglich wurde. Ich sei die Pflegerin, sagte Dr. Barbee zu mir. Ich war für Mom verantwortlich. Sehr reif für ihr Alter, flüsterten die Leute. Alte Seele. Aber was wäre mir denn auch anderes übriggeblieben, als erwachsen zu werden und mich darauf vorzubereiten, sie gehen zu lassen? Ich sah jedenfalls keine andere Möglichkeit.
    Dem, was mir bevorstand, hätte ich mich nicht stellen können ohne meinen absoluten Glauben an das, was mein Vater mir über den Tod gesagt hatte. Selbst wenn seine Worte vor so vielen Jahren nur ein verängstigtes kleines Mädchen hatten trösten sollen, sie erfüllten diesen Zweck auch zwölf Jahre später. Ich wappnete mich für den Tag, an dem der Tod meine Mutter holen würde.
    Als ich merkte, wie tief ich in Gedanken ans Damals versunken war, war mein Tee kalt geworden. In der Gegenwart zu bleiben erforderte regelrecht Disziplin. Also riss ich mich von den Gedanken an meine Mutter los und konzentrierte mich auf meine Pläne für dieses Zimmer. Was hätte Mom vorgeschlagen? Vielleicht Rot und Weiß. Oder Gelb und Hellblau. Ich würde Wanda Murphy anrufen. Sie war die Vorsitzende des Quilting-Clubs von Brinley und hatte bestimmt ein paar tolle Ideen. Doch dann klopfte ich mir im Geiste auf die Finger. Ich konnte niemandem etwas von diesem Baby sagen, ehe ich es meinen Schwestern gesagt hatte.
     
    Als ich
Ghosts in the Attic,
den Antiquitätenladen meiner Schwester, betrat, war es schon fast Mittag. Lily stand hinter dem Ladentisch, das Telefon zwischen Ohr und Schulter geklemmt, und tippte den Preis für ein paar Stücke Porzellan in ihre Kasse. Die Frau vor ihr hielt schon die Kreditkarte bereit. Ich setzte mich in den sogenannten Salon neben dem Eingangsbereich und nahm mir einen Kürbiskeks. Lily lässt zweimal täglich von Matilda Hines, der die Bäckerei zwei Häuser weiter gehört, frisches Gebäck bringen. Das tut sie, damit sie es neben

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