Tanz auf Glas
einem Teeservice von Tuttle Silversmiths und ein paar Dutzend handbemalter Teetassen auf der prunkvollen Regency-Anrichte zur Schau stellen kann.
Lily und Ron haben dieses halbverfallene viktorianische Gebäude – zwei Stockwerke und natürlich der Dachboden – in ein florierendes Geschäft verwandelt. Jeder Quadratzentimeter ist unglaublich einladend, angefangen im Salon. Wände in sattem Burgunderrot und florale Teppiche geben den Ton an. Ein klassizistisches Sofa, ein paar Queen-Anne-Sessel und ein viktorianischer Stillsessel gruppieren sich um einen Mahagoni-Couchtisch. Hier hält Lily all ihre Infos und Listen bereit – wenn ein ernsthafter Sammler wissen will, ob Lilys Preise fair sind, kann er in einem ihrer zahllosen Kataloge nachschlagen und dabei ein Eclair naschen.
Eigentlich steht in diesem Raum nichts zum Verkauf, doch das Mobiliar wechselt nahezu monatlich. Lilys Salon hat ein Ambiente, das die Leute gern in ihrem eigenen Zuhause nachahmen wollen. Verführt werden sie hier im Salon, und dann kaufen sie in den restlichen vierzehn Räumen Gobelins und Gemälde, Porzellan und Lalique-Kristall, Möbel und Spitze. Lilys Theorie lautet: Wenn sie das Einkaufen bei
Ghosts
für den Kunden zu einem Ereignis machen kann, dann wird dieser Kunde immer wiederkommen. Und die Theorie hat sich bestätigt. Lilys Kunden kommen von überall her. Mit Hilfe ihrer Kartei hält sie Verbindung zu ihnen, bedankt sich stets noch einmal schriftlich für jeden Einkauf und informiert die Kunden, wenn sie etwas angekauft hat, das ihnen gefallen könnte.
Ich beobachtete, wie sich meine Schwester von der Kundin verabschiedete, samt Ermahnung, ihr unbedingt Bescheid zu sagen, wenn der Enkel zur Welt gekommen sei. Die Frau versprach es ihr hocherfreut und ging. Lily schaute auf den Überwachungsmonitor neben der Kasse und blickte zu mir auf. »Ich möchte mich nur kurz um die Damen kümmern, die sich oben Bettwäsche ansehen. Bin gleich wieder da.«
Als ich den Keks aufgegessen hatte, merkte ich, dass ich mich besser fühlte, und griff nach einem Brownie. Dann traf mich die Erkenntnis wie ein Vorschlaghammer: Schwangerschaftsübelkeit. Der Gedanke machte mich glücklich! Mein Körper funktionierte genau so, wie er sollte.
»Warum grinst du so albern?«, fragte meine Schwester, als sie eilig den Salon betrat. Sie erschreckte mich, und ich ließ den Brownie fallen. Lily schenkte sich eine Tasse heißes Wasser ein, quetschte ein Zitronenviertel hinein und bemerkte: »Weißt du noch, dass ich dir von dieser pompösen Lampe erzählt habe? Die mir ein Bursche drüben in Woodbury für fünfhundert Dollar verkauft hat?«
Ich erinnerte mich nicht daran, also zuckte ich mit den Schultern.
»Sie hat sich als Daum Nancy entpuppt, ungefähr fünfzehntausend Dollar wert. Und ich habe schon einen Käufer.« Sie blickte von ihrer Tasse auf und grinste mich an. Ihre grünen Augen, das Einzige, was ich mit beiden meiner Schwestern gemeinsam hatte, blitzten. »Ach, entschuldige. Da schwatze ich einfach drauflos und frage dich nicht einmal, wie es dir geht. Hast du Priss getroffen?«
»Gewissermaßen. Und du?«
»Nein. Am Sonntag hat sie mir auf den Anrufbeantworter gesprochen, sie sei nach Hartford zurückgefahren und es täte ihr leid, dass sie mich verpasst hätte. Als hätte sie es auch nur versucht. Ich bin doch immer hier. Und genau wie du ist sie nicht zum Shad-Grillen gekommen.«
»Oh, das tut mir leid. Wir haben auf dem Boot übernachtet und ich habe es völlig vergessen.«
»Na ja, es war herrlich, wie immer. Also, was gibt’s?«
Ich sah mich um, vergewisserte mich, dass uns niemand stören würde, und holte tief Luft.
»O nein«, sagte Lily mit erschrockener Miene und setzte sich hin. »Du hast etwas von Charlotte gehört, oder?«
»Ach so, ja, habe ich. Aber nicht, was du denkst.«
Mit zitternder Hand stellte Lily ihre Teetasse auf den Tisch. »Also?«
»Lil …«
»Sag es mir einfach, Lucy. Raus damit.«
»Ich bin schwanger.«
Totenstille. Ich glaube, sie atmete nicht einmal.
»Wie bitte?«, fragte sie schließlich.
Ich konnte nur noch nicken.
Sie starrte mich an.
»Du … du bist schwanger? Wirklich? Ach, Lucy.«
Als Lily weiter nichts sagte, konnte ich nicht anders, als sie zu fragen: »Du freust dich doch für mich, oder?«
Da lächelte sie, aber es kam nicht von Herzen. Trotzdem beugte sie sich zu mir herüber und umarmte mich. »Natürlich freue ich mich für dich, Lu! Das kommt nur so völlig
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