Tanz auf Glas
bat mein Baby in Gedanken, sich zu bewegen. Mickey betrachtete gerade mit einem seltsamen Gesichtsausdruck das Kunststoffmodell eines Geburtskanals, als die Tür aufging und Charlotte hereinkam. Sie schob ein Wägelchen vor sich her, auf dem ein Bildschirm stand. An etwas, das aussah wie eine Telefonschnur, hing ein Ultraschallkopf.
»Und … wie geht es Familie Chandler heute?«, fragte sie. »Mickey, du siehst großartig aus. Wie fühlst du dich?«
»Sehr gut, Dr. Barbee. Im Moment bin ich allerdings ein bisschen nervös.«
»Warum?«
»Er will nur sein Geld nicht verlieren«, sagte ich und griff nach seiner Hand.
Charlotte lachte, beugte sich vor und verband das Gerät mit einer Steckdose in der Wand. »Also, dann wollen wir mal feststellen, wer von euch gewinnt.« Sie holte ein Fläschchen aus dem Rollwagen und quetschte daraus einen Klumpen Gel auf meinen nackten Bauch. Ich hatte Kälte erwartet, aber zu meiner Überraschung war es angenehm warm. Sie schaltete das Gerät ein, lächelte auf mich herab und legte den Schallkopf ganz unten an meinen Bauch.
»Mal sehen, was wir hier haben.«
Sogleich erwachte der Bildschirm zum Leben. Ich wusste nicht, was ich da sah – auf mich wirkte es wie Schnee auf einem Schwarzweißfernseher mit schlechtem Empfang. Ich warf Mickey einen Blick zu, der dem Monitor näher stand als ich und ebenfalls versuchte, darauf etwas zu erkennen.
»Wo bist du, Kleines?«, murmelte Charlotte und ließ langsam den Schallkopf über meinen Bauch gleiten. Es sah so aus, als käme etwas deutlicher ins Bild, doch dann musste ich husten, und es war wieder fort.
»Möchtest du ein Glas Wasser, Lucy?«, fragte Charlotte.
»Nein danke.«
Charlotte schob die Hand wieder hin und her, und auf einmal bildete sich ein deutlicher Umriss im Bild.
»Da bist du ja«, sagte Charlotte zu dem Bildschirm. »Hier ist euer Baby.« Sie drehte an einem Knopf, was das Bild etwas deutlicher machte. »Könnt ihr den Kopf sehen?«
»Wo?«, fragten Mickey und ich wie aus einem Munde.
»Genau hier.« Charlotte zeigte darauf, und plötzlich ergab das Bild einen Sinn. »So direkt von vorn sieht das Gesicht ein bisschen seltsam aus.«
»Woran erkennst du, dass das ein Gesicht ist?«, fragte Mickey. »Ich sehe da nur schwarze Löcher … oder … sind das … Was sehe ich da?«
»Das sind die Augen, aber man sieht nur die Augenhöhlen. Ich versuche mal, ob ich es im Profil bekomme.« Charlotte fuhr mit dem Schallkopf über meinen Bauch und drückte ihn tiefer in meine Haut.
»Ist das ein Arm? Und was ist das da?« Mickey ließ meine Hand los und beugte sich noch weiter zu dem Bildschirm vor.
»Ja. Das ist ein Arm, und da ist der andere, und ein Bein und … Ah ja, bitte sehr, das andere Bein. Ich suche …«, sagte sie. »Aber ich finde nichts … Nein, da ist nichts.« Sie drehte leicht den Schallkopf und zoomte dann auf einen bestimmten Bereich. »Tut mir leid, Mic, aber zumindest im Ultraschall finde ich keinen Penis.«
»Bist du sicher?«
»Tja, sag du es mir. Wir schauen gerade von unten durch die Beine, wie unter einer gläsernen Tischplatte. Bedaure, Dad. Wenn das ein Junge ist, dann wohl eher der mädchenhafte Typ.«
»Ja!«, jubelte ich.
Mickey sah mich grinsend an. »Ich habe dir doch gesagt, dass er ein Mädchen ist«, witzelte er. Dann beugte er sich über mich und küsste mich zärtlich auf den Mund. »Eine Mini-Lucy«, flüsterte er voller ehrfürchtiger Freude.
»Und du siehst kein bisschen enttäuscht aus, Dad«, sagte Charlotte kichernd.
»Na ja, mir wäre wohler, wenn sie ein Gesicht hätte«, erklärte Mickey mit einem Lachen. »Aber abgesehen davon …«
Ich lachte mit, und dann musste ich weinen, obwohl ich vom Ergebnis nicht überrascht war. Es war nur alles auf einmal so unglaublich real. Wir bekamen eine Tochter.
Charlotte zwinkerte mir zu. »Du hattest recht, Liebes.«
Ich weiß nicht, warum ich mir so sicher gewesen war, aber jetzt fühlte es sich so an, als hätte ich sie schon immer gekannt. Meine Tochter.
Charlotte redete weiter, während sie uns Herzkammern und Hirnhälften zeigte. Mickey war fasziniert und stellte ihr alle möglichen Fragen. Während ich ihn beobachtete, hatte ich das Gefühl, als hätte ich diesen Augenblick jemand anderem gestohlen, der ihn eigentlich erleben sollte. Doch nicht wir! Niemals. Durch einen Tränenschleier sah ich meinen Mann, der in gebannter Ehrfurcht die geballte Faust seiner Tochter anstarrte. »Schau mal, Lu, man kann jeden
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