Tanz der Aranaea (German Edition)
bei der Desert Group brachte ich meinen Ausbilder in helle Verzweiflung. Das wussten auch die Jungs um Tim Johnson. Willi erhielt inzwischen ihr volles Vertrauen. Willi bat Tim nach Ankunft in den Kufra-Oasen die Uniform ausziehen zu dürfen und um freie Weiterreise nach Südafrika. Er sei ledig, meinte er, und ohne Angehörige, und wolle dort, vielleicht mit einem englischen Pass, ein neues Leben anfangen. Tim Johnson stimmte zu und versprach es Willi Oberleitner.
Die Stimmung war sehr gut. Wir fuhren in Richtung Süden zu den Kufra-Oasen auf der berühmten "Balificata", eine von
den Italienern mit Eisenstäbe und Vermessungspyramiden gekennzeichnete Piste.
Von dem guten Chianti-Wein waren wir sturzbesoffen, einschließlich Greg Harris, unser Fahrer. Er kicherte pausenlos vor sich hin und lenkte das Fahrzeug im Slalom durch die langen Eisenstäbe. Manches Mal verließ er die Piste und drehte im Wüstensand einige riesige Kreise. Als Glücksfall erwies es sich, dass wir im Fahrzeug der Italiener einige Vorräte fanden. Salami, Dosenwurst, Weisbrot und Instant-Kaffe aus englischen Beständen, die irgendwann einmal erbeutet wurden. Nun war der Kaffee wieder in englischem Besitz. Nicht zu vergessen den Chianti, Grund unseres Rausches und der guten ausgelassenen Stimmung. Eine verrückte Welt ist das schon.
Am Abend lenkte Greg Harris das Fahrzeug von der "Balificata", der italienischen Edel-Piste, und fuhr quer durch das Gelände. Nach etwa zehn Kilometer Fahrt standen wir auf der Höhe eines Djebel, einer kleineren Anhöhe..
Hier bot sich ein weiter Blick auf die leblose Einöde der Wüste. Im Tal befand sich gleich einer Insel, eine halb verfallenen Lehmhütte mit einigen Palmen. Wie Greg Harris in seinem Zustand diesen Ort, den er scheinbar schon früher einmal besuchte, gefunden hatte, blieb mir ein Rätsel. Die verlassene Hütte wurde einst von der Karawanserei an einem Brunnen erbaut, der jedoch inzwischen versandet war. Wir richteten uns für die kommende Nacht ein. Auf eine Nacht, wie alle Nächte in der Wüste. Eisig kalt und von Sterne übersät, so scheinbar zum Greifen nah. Tim und ich hielten die erste Wache. Für zwei Stunden. Es hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, dass die Wache jeweils von zwei Leuten gehalten wurde. So war sichergestellt, dass der Wachposten nicht einschlief und dadurch die Gruppe in mögliche Schwierigkeiten bringen konnte. Hatte aber auch den Nachteil, dass wir in einer Nacht mehrmals Wache halten mussten.
Tim und ich saßen an einer Palme. Eine kleine Spinne, die sich an den Fasern des Palmenstamms ein Netz errichtet hat, saß reglos mitten darin. Wahrscheinlich schlief sie, wie unsere Kameraden. Tim bekam einen merkwürdigen Glanz in seine Augen, als er das Wunderwerk der kleinen Spinne sah.
Er fragte mich: »Was hast du bei den Deserts gelernt?« Er gab mir aber keine Gelegenheit zum Antworten sondern fuhr fort: »Du hast gelernt mit einer MP zu schießen aber das brachte nichts. Du schießt wie ein Idiot!«
War ja auch kein Wunder, dachte ich, diese Scheißdinger streuten wie verrückt und waren kaum zu führen. Und ich sagte mir, Vancelli, wenn du je eine MP brauchst, dann bestehe auf eine deutsche Schmeisser-Maschinenpistole. Alles andere ist Bullshit.
Er sagte: »Mit dem Gewehr bist du gut Francesco, und mit der Drahtschlinge! Die Messer benutzt du besser nur zum Kartoffeln schälen, im hantieren mit dem Messer bist du eine Niete.«
Er benutzte zum ersten Mal nicht meinen Pseudo-Namen John Walker. Eine leise Vertrautheit kam auf mich zu, die mich jedoch wenig beeindruckte.
»Du hast auch gelernt, wie mit der Drahtschlinge getötet wird. Als ich dich zum ersten Mal bei dieser Übung gesehen habe, ist mir dein Talent dafür aufgefallen. Du musst nur noch den letzten Schritt und den letzten Atemzug vor dem Auswerfen der Drahtschlinge verbessern. Die Schlinge würde ich an deiner Stelle nicht einfach zuziehen sondern beim Schließen ziehst du sie mit einem Rück im Genick hoch. Du vermeidest damit das Röcheln deines Feindes. Du wirst sehen Francesco, du wirst eine Spinne, eine Aranaea. Ein “Lautlos Töter“.«
Mir war als müsste ich meine Eingeweide an die frische klare Nachtluft setzen. Zum Lüften! Ich zündete mir eine Zigarette an und brachte keinen Ton hervor. Der Spinnenpsychopath sagte zum Schluss unserer Wache-Einteilung noch ein paar Sätze, die mich ein Leben lang begleiteten: »Alle Männer und auch Frauen, die das
Weitere Kostenlose Bücher