Tanz der Dämonen
Jedenfalls überzeugte sie ihn. Aber er war drauf und dran, wieder unangenehm zu werden. Vorsichtshalber lenkte ich etwas ein. »Ich war nur einmal mit ihm. Da war er bei einem seltsamen Kunden, der ein Horoskop bei ihm bestellt hatte.«
»Wie heißt dieser Mann?«
»Ich weiß es nicht.«
»Und wo wohnt er?«
»Irgendwo da drüben. Ich kenne mich in dieser Stadt noch nicht genug aus …«
»Was hat er euch gesagt, wer wir sind?«
»Er hat euch gar nicht erwähnt. Aber soweit ich weiß, seid ihr Halsabschneider.«
Er überhörte das, was mich eigentlich ärgerte, obwohl es so vermutlich besser war.
»Er ist auf der Hut, nicht wahr?«
»Ist wohl angebracht, wenn solche wie ihr in der Nähe sind.«
»Hat er mal etwas von einem Skorpion erwähnt?«
»Nicht dass ich wüsste. Skorpione gibt es hier doch gar nicht.«
»Und das kennst du nicht?« Überraschend streckte er mir seine Faust in einem eleganten schwarzen Lederhandschuh entgegen, und da baumelte mit zerrissener Kette ein Anhänger, genau wie der, den ich an der Brust trug. Unter dem Hemd zum Glück. Wenn er das geahnt hätte! Ich brachte nichts anderes fertig, als den Kopf zu schütteln. Ob das wohl das Exemplar war, das der Tote auf der Straße in der Hand gehabt hatte? Dieser Kerl war jedenfalls zugegen gewesen und hatte es an sich bringen können. Für den Mörder hielt ich ihn trotzdem nicht. Gefühl.
Und dann wurde mir schlagartig bewusst, was das eigentlich Erstaunliche an dieser Konfrontation war: Wusste er wirklich ebenso wenig wie ich, was dieses Zeichen bedeutete? Anscheinend hatte auch er nur eine vage Ahnung und rätselte nur herum. Dann war er durchaus nicht der mächtige Feind, für den ich ihn gehalten hatte! Keineswegs ein wirklich großer Hund! Eher ein elender Köter.
Er zog den Anhänger wieder zurück und schob ihn unter sein Wams. Sein Blick hatte unvermittelt etwas Verwirrtes bekommen, und während er einen Augenblick lang in Gedanken versunken zu sein schien, glaubte ich sogar einen Ausdruck von Hilflosigkeit, ja Verzweiflung in seinem Gesicht zu entdecken. Doch dieser Moment der Schwäche verflüchtigte sich schnell. Er wischte sich mit der behandschuhten Linken über die Augen und heftete seinen stechenden Blick wieder auf mich. Die nächste Frage kam wie ein Dolch: »Hat er Namen erwähnt? Leute hier in Köln? Sucht er jemanden?«
»Er spricht nicht darüber.«
»Und du hast keinen Schimmer, wie?«
»Verdammt. Es tut mir Leid …«
»Ach ja. Wie rührend! Und warum ist er beim Kaufmann Arndt gewesen?«
Was war das? Ahasver im Haus mit dem Löwen? Ob das stimmte? Das musste ich mir merken!
Gott sei Dank, er deutete mein Schweigen falsch und fuhr mit seinen Fragen fort: »Und was ist mit dir? Wonach stöberst duherum? Warum warst du bei Arndt? Glaubst du, ich hätte dich nicht erkannt? Ich habe dich schon vorher mit Ahasver gesehen.« Das war wohl bei unserer Schaustellung an der Martinskirche gewesen, da hatte ich ihn gesehen. »Und wenn ich mich recht besinne, wirst du es wohl sein, wegen dem ich glatt zwei gute Leute verloren habe!«
»Zwei gute Leute?«
»Neulich. Vor der Stadt. Im Schnee …« Er meinte die Kerle an der Herberge, die Armbrust niedergestreckt hatte! Ich begann jetzt langsam zu schwitzen, und das machte mich wirklich unvorsichtig.
»Das waren Arschlöcher!« Dieses Wort knallte förmlich. Ob ich jetzt nicht zu stark aufgetragen hatte? Seltsamerweise reagierte er überhaupt nicht. Aber seine Kettenhunde wurden wütend. Ich steckte lieber etwas zurück. Eigentlich hatte ich mich weiter verstockt geben wollen, aber was konnte es mir schaden, wenn er etwas mehr wusste? Ich sagte: »Ich suche meinen Vater. Das ist alles.«
»Was du nicht sagst. Wie heißt dein Vater?«
Mist. »Das weiß ich eben nicht. Aber das hat mit Ahasver gar nichts zu tun.«
»Wer weiß. Da hat sich deine Mutter wohl ein bisschen zu offenherzig gezeigt, wie?«
Grinsen der Spießgesellen.
Langsam wurde ich wirklich wütend auf ihn. Wollte er womöglich genau das erreichen? Jedenfalls konnte ich nicht anders, als ihn meinerseits noch einmal zu reizen. Mich ritt der Teufel, und ich vergaß die Vernunft. Jeder Stich gegen seine Erscheinung schien diesen Gecken zu treffen. Möglicherweise konnte ich ihn endgültig aus der Reserve locken und erfuhr endlich mehr. Ich sagte: »Wenn du nicht so lispeln würdest, könnte man vielleicht verstehen, was du redest …«
Da war es wieder, das Messer, dieses Mal an meiner Wange.
»Du
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