Tanz der Engel
undefinierbaren Staub, der an meinen Kleidern klebte, abzuklopfen. Das widerliche Gefühl, das mich durchzog, wurde ich allerdings nicht los. Sanctifer hatte sich den besten Platz in Rom ausgesucht, um mir Angst einzujagen.
Kapitel 5
Verbotene Pfade
P hilippe drückte mir am nächsten Morgen ein kleines Geschenk in die Hand.
»Du darfst es erst an deinem Geburtstag öffnen«, ermahnte er mich, als ich neugierig nach dem Band schnappte, um es aufzumachen.
Murrend steckte ich es unter seiner strengen Aufsicht in meine Tasche, da ich den großen Koffer, den ich für meinen in drei Wochen beginnenden Kanadaaufenthalt mitschleppte, weder vor seinen noch vor anderen neugierigen Blicken öffnen wollte. Als ich das Gepäckstück später auf dem Förderband verschwinden sah, dämmerte mir, dass ich dennoch einen Fehler gemacht hatte. Ein antiker, mit Edelsteinen besetzter Dolch würde die Gepäckkontrolle nicht unbemerkt passieren.
Nach langem Hin und Her hatte ich ihn doch mitgenommen. Vielleicht half mir die Waffe tatsächlich, Christopher zu mir zu holen – oder zumindest einen Zugang zu seiner Welt zu finden. Dass ich mein Engelsmedaillon nur aus Zufall verloren hatte, glaubte ich inzwischen selbst nicht mehr.
Ich überspielte meine Nervosität, als ich mich von Philippe verabschiedete, doch am Flughafengate brach sie wieder durch. Unruhig lief ich auf und ab, da ich jeden Augenblick damit rechnete, von uniformierten Beamten entdeckt und abgeführt zu werden.
Sie kamen nicht. Auch nicht, als ich in Berlin das Flugzeug verließ. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch zog ich meinen Koffer vom Band. Vielleicht warteten sie nur darauf, dass ich mir das Gepäckstück griff.
Es blieb ruhig. Entweder der Dolch war bei den Kontrollen übersehen worden, oder Sanctifer hatte dafür gesorgt, dass er unbemerkt blieb. Ich tippte auf Sanctifer. Einem Engel dürfte so etwas nicht allzu schwerfallen.
Da ich mir sicher war, dass der Dolch auf dem Internat ein vielbeachteter Gegenstand sein würde und mir bei seiner Entdeckung der Rausschmiss drohte, kümmerte ich mich zuallererst um ihn. Mit Klebestreifen befestigte ich die edle Waffe an der Unterseite meines Lattenrosts und schob den Koffer davor. Selbst beim Saubermachen würde ihn dort niemand entdecken. Dann verdrängte ich den Frust, der sich in den letzten Wochen angestaut hatte, und stellte mich meinen Freunden. Sie würden nach meinen Ferienerlebnissen fragen – und nach Christopher.
Zu meiner Überraschung saß Florian auf dem roten Sofa neben Max, anstatt bei Hannah zu sitzen. Vielleicht hatte er genug von der platinblonden Schönheit, die es sich mit ihrem Hofstaat am Fenster gemütlich gemacht hatte, und suchte wieder Anschluss an seine wahren Freunde.
Ich begrüßte beide mit einem strahlenden »Hallo« und setzte mich auf den schwarzen Hocker neben einem der runden Beistelltischchen. Keine Minute später stürmte Juliane mit Marisa zur Tür herein.
»Ihr müsst euch unbedingt unsere neuen Zimmer anschauen. Hier im Schloss ist es so viel besser als im Gelben Haus«, schwärmte sie mir vor. Offenbar hatte sie unseren Streit vor den Ferien vergessen.
»Das wissen wir«, bremste Max ihren Enthusiasmus. »Auch wir sind Mitglieder der K2 und dürfen jetzt im Schloss wohnen.«
Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Max hatte sich angehört, als wär K2 ein alpinistischer Geheimbund, obwohl es sich nur um die stundenplangerechte Abkürzung der Kursstufe zwei, der Abschlussklasse, handelte.
»Du hast gut lachen«, wandte er sich an mich. »Du genießt die Annehmlichkeiten eines Einzelzimmers im Schloss ja schon lange.«
»Und sieh dir den Aufenthaltsraum an. Der ist doppelt so groß wie unser alter, und die Sofas sind auch viel bequemer«, setzte Juliane begeistert fort, während sie auf dem zweiten, dem schwarzen Sofa, das neben dem roten in einer Ecke des verwinkelten Raumes stand, auf und ab wippte und ihre Zehen in den grauen, flauschig weichen Teppich drückte.
»Und, wie findet Chris sein Zimmer?«, fragte Juliane, als sie bemerkte, dass Christopher fehlte.
Ich zuckte die Achseln. Meine Ausreden, wo er abgeblieben war, waren mir in Italien schnell ausgegangen. Auf dem Internat würde ich keinen Tag damit durchkommen.
»Ich habe keine Ahnung.«
Marisa sah mich verständnislos an, weshalb ich fortfuhr – besser ich brachte es gleich hinter mich.
»Ich habe ihn seit Ferienbeginn nicht mehr gesehen.«
»Wie jetzt?«, mischte sich Max ein. »Du wolltest
Weitere Kostenlose Bücher