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Tanz der Engel

Tanz der Engel

Titel: Tanz der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Itterheim , Diana
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Auswahl aber gut gelungen.« Als ich bemerkte, wie Philippe nervös von einem Bein auf das andere trat, erlöste ich ihn. »Und richte Lucia ein Dankeschön von mir aus, wenn du das nächste Mal mit ihr telefonierst. Dafür, dass sie dich mit mir teilt, und für die Mühe mit den Sightseeing-Tipps.«
    Lucias Liste hielt, was sie versprach. Nach dem ersten Tag beschloss ich, keine ihrer Empfehlungen auszulassen. Genauso wenig ließ ich es mir entgehen, mir meinen täglichen Touri-Abschluss-Cappuccino von Philippe servieren zu lassen. Er nahm es mit Humor, dass er mich bedienen musste, bevorzugte mich vor allen anderen Gästen und flirtete ungeniert mit mir, wobei seine dunkelbraunen, mit schwarzen Ebenholzsprenkelndurchsetzten Augen vor Vergnügen aufleuchteten. Am Schluss präsentierte er mir die Rechnung und feilschte mit wortreichen Gesten um ein unverschämt hohes Trinkgeld. Abends zogen wir dann los und machten Rom unsicher.
    Die Stunden mit Philippe halfen mir, nicht ständig an Christopher zu denken. Dass etwas Unerwartetes passiert war, erschien mir die einzig vernünftige Erklärung, warum er die Ferien nicht mit mir verbracht hatte. Und das wiederum schürte meine Angst, und in meiner Fantasie malte ich mir die schrecklichsten Dinge aus. Weshalb mein Schutzengel – Christophers Meinung nach die Verlässlichkeit in Person – mich hängenließ, verstand ich dennoch nicht. Die Angst, die bei der Erinnerung an den Absturz in mir wieder auflebte, dagegen schon.
    Für meinen letzten Tag hatte ich mir die Katakomben aufgehoben. Philippes Wohnung lag im Süden von Rom, nicht weit entfernt von meinem Ausflugsziel, so dass ich vor meiner Tour noch in Ruhe meinen Koffer packen konnte. Allerdings war ich mir nicht sicher, ob ich wirklich ein weiteres Mal in eine Totengruft steigen sollte. Mit einem Engel, der mich beschützte, falls ich wieder einem Totenwächter begegnen würde, rechnete ich jedenfalls nicht. Doch da die Katakomben allgemein zugänglich waren, musste ich wohl kaum mit einer Bedrohung dieser Art rechnen – höchstens mit ein paar liegengebliebenen Skelettresten.
    Ich nahm die Herausforderung an und fuhr mit dem Bus zur Via Appia, stieg eine Station früher aus und schlenderte den gepflasterten Steinweg entlang, um das Gefühl von Ewigkeit in mich aufzunehmen, das diese uralte Zugangsstraße umgab. Schließlich erreichte ich die Catacombe di San Callisto, eine der großen Grabanlagen Roms. Zur Sicherheit schloss ich mich einer Führung an. Bei über hunderttausend Gräbern, zig Kilometer langen, verschlungenen Tunneln und meinem verkümmerten Orientierungssinn war das ratsam.
    Die mollige Vollblutitalienerin, die unsere knapp zwanzigköpfige Gruppe durch die schmalen Gänge führte, entpuppte sich als unfreiwillig komisch – zumindest für mich. Ihr Versuch, uns mit ihrem geheimnisvollen Flüstern, ihrem erhobenen Zeigefinger und ihren Mahnungen, leise zu gehen, damit die Toten nicht aufwachten, zu beeindrucken, entlockte mir hin und wieder ein unpassendes Kichern. Die anderen Teilnehmer zeigten für meine Lachanfälle nur wenig Verständnis und warfen mir verärgerte Blicke zu. Ich riss mich zusammen. Sicher kannte keiner von ihnen das Totenreich so gut wie ich.
    Als wir die Kammer der Cäcilia erreichten, stürmte unsere Katakombenführerin ihrem theatralischen Höhepunkt entgegen. Blutrünstig schilderte sie die Geschichte der enthaupteten Heiligen, deren Todesschrei bei Vollmond noch heute zu hören sei. Um meinen Mitstreitern die Stimmung nicht zu verderben, unterdrückte ich meinen Lachanfall, biss die Zähne zusammen und entfernte mich ein wenig von der Gruppe.
    Ich kam nicht zum Lachen. Eine Hand packte mich von hinten und zog mich in einen Seitengang. Eine zweite legte sich auf meinen Mund und meine noch immer empfindliche Nase und hinderte mich so am Schreien. Rückwärts wurde ich den unbeleuchteten Gang entlanggezerrt und mit einem Stoß zwischen die Rippen in eine kleine Grabkammer bugsiert. Ein kalter Schauer durchrieselte meinen Körper, während ich durch den Zugang taumelte, als wäre ich durch einen eisigen Vorhang gestürzt.
    Die Hände hatten mich freigegeben, und ich konnte endlich wieder Luft holen – nach Moder und Zimt riechender Grabesduft. Allzu bekannte, königsblaue Augen leuchteten mir entgegen. Diffuses Licht, das den Zugang zur Grabkammer verschloss, erhellte mit einem unwirklichen Schimmer das jugendliche Gesicht meines Gegenübers. Meine Knie drohten nachzugeben,

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