Tanz der Engel
nicht bloß geträumt, sondern Aron tatsächlich niedergestochen hatte. Mühsam schlug ich die Augen auf.
»Unbelehrbar – wie immer.« Arons sanftmütiges Gesicht lächelte mir entgegen. Vielleicht hatte ich das mit dem Dolch doch bloß geträumt – oder, was wahrscheinlicher war, ich träumte jetzt.
Als ich jedoch sah, wie Christopher am anderen Ende meiner Dachkammer auf und ab lief und mich mit angespanntem Blick musterte, verwarf ich diesen wunderbaren Gedanken.
»Wie …« Ein stechender Schmerz zuckte durch meinen Kiefer, breitete sich in meinem Kopf aus und verursachte mir Übelkeit.
»Du solltest dich lieber für eine Weile in Schweigen hüllen. Die Berührung eines Engels kann ungewollte Nebenwirkungen enthalten«, erklärte Aron.
Ich befolgte seinen Rat. Den lockeren Sprüchen nach zu urteilen, ging es ihm gut – jedenfalls besser als mir. Nicht nur mein Kopf schmerzte höllisch, mein ganzer Körper rebellierte: Außen juckte er, innen schien er zu brennen. Erschöpft schloss ich die Augen und ließ Aron weitertupfen.
»Auch wenn ich weiß, wie sehr du es hasst – trink, so viel du kannst. Dann wird es dir bessergehen, wenn du das nächste Mal aufwachst.«
Ausnahmsweise widersprach ich nicht, als Aron mir mit äußerster Behutsamkeit eine unförmige Schnabeltasse an die Lippen hielt. Vorsichtig ließ er ein paar Tropfen der kühlen Flüssigkeit in meinen Mund fließen. Ich schluckte sie. Und auch die folgenden. Der kalte Kräutertee dämpfte den Schmerz und ließ mich schnell in einen traumlosen Schlaf gleiten.
Es war dunkel, als ich erwachte. Wie lange ich geschlafen hatte, wusste ich nicht. Meinem Gefühl nach ein paar Stunden – laut meinem Körper länger. Der heftige Juckreiz war verschwunden, und auch in meinem Inneren war es ruhiger geworden. Als ich jedoch genauer nachforschte, merkte ich schnell, dass das nicht für mein Gesicht galt. Und noch weniger für meine rechte Hand. Eine kleine Bewegung genügte, und hundert Knallfrösche schienen gleichzeitig zu explodieren. Gequält schrie ich auf, was wiederum etwas in meinem Kiefer zum Bersten brachte.
Sofort war Aron neben mir und legte eine Hand auf meine Stirn. Die Explosionen beruhigten sich im selben Moment. Dankbar sackte ich tiefer in das Kissen.
»Das mit dem Bessergehen hast du dir sicher etwas anders vorgestellt. Aber wenn du noch ein wenig Geduld hast, brav deinen Tee trinkst und ein bisschen weiterschläfst, kannst du mich bald mit einem Lächeln begrüßen.«
Als Arons Finger sanft über meine Lider strichen, wehrte ich mich nicht länger und ließ meine Augen zufallen. Ich vertrauteihm nicht, doch ich hoffte, dass er die Wahrheit sagte – auch wenn er auf das Begrüßungslächeln lange warten konnte.
Tatsächlich hatte sich der Schmerz gelegt, als ich wieder aufwachte – zumindest was mein Gesicht betraf. Bei dem Versuch, die Finger meiner verbundenen Hand zu bewegen, zuckten dieses Mal wild gewordene Blitze hindurch.
»Das mit deiner Hand wird noch eine Weile dauern. Dafür solltest du jetzt problemlos essen können«, erklärte Aron mit einem entschuldigenden Lächeln, während er mir ein Tablett mit Milchkaffee und Schokoladencroissants unter die Nase hielt.
»Soll ich dich füttern oder dir nur beim Aufrichten helfen?«, fragte er, als ich mich nicht rührte.
»Keines von beidem!«, antwortete ich schroff und versuchte, mich aufzusetzen, ohne meine bandagierte Hand zu bewegen. Das schmerzverzerrte Keuchen, das mir zwischen den Zähnen hindurchrutschte, ließ ein paar Falten auf Arons Stirn erscheinen.
»Mein Angebot, dir zu helfen, steht noch«, erklärte er gelassen. Als ich nicht reagierte, zuckte er mit den Schultern, klappte die dünnen Metallbügel an der Unterseite des Tabletts herunter und stellte es neben mir aufs Bett, bevor er demonstrativ die Arme vor der Brust verschränkte.
Ich schwieg, mühte mich in eine halbwegs bequeme Sitzposition und schnappte mir ein Croissant. Offenbar konnte Aron Gedanken lesen – vielleicht lag es aber auch nur an meiner finsteren Miene: Hilfe würde ich von ihm nur annehmen, wenn ich dazu gezwungen wurde.
»Ganz wie du willst. Aber glaub bloß nicht, dass es mir etwas ausmacht, wenn du rumzickst.«
Ich warf ihm einen bösen Blick zu und widmete mich meinem Frühstück. Wer zickte hier rum? Hatte ich nicht allen Grund, bockig zu sein?! Schließlich hatte ich über einem Abgrundin luftiger Höhe gebaumelt und nicht er – andererseits war er derjenige mit dem Dolch
Weitere Kostenlose Bücher