Tanz der Engel
befolgen?«
»Ich habe darüber nachgedacht«, antwortete ich ausweichend und ließ meinen Blick über den friedlichen See schweifen.
»Und mit welchem Ergebnis?«
»Dass … dass ich ihn nicht wegschicken kann. Aron, ich liebe ihn! Ich kann ihm nicht sagen, dass er gehen soll, solange es noch Hoffnung gibt. Doch … doch wenn … wenn er gehen will, werde ich ihn nicht aufhalten.«
Aron packte meine Schultern und zwang mich, ihn anzuschauen. »Dann werdet ihr euch gegenseitig in den Wahnsinn treiben! Er wird ausharren und warten und den Kampf seiner Seele, die sich gegen das Dämonenerbe wehrt, dank dir erneut durchleben. Aber nicht nur er wird leiden. Bald kannst auch du den dämonischen Teil in ihm spüren und wirst nicht nur dich selbst, sondern auch ihn hassen.«
»Niemals!« Aron log! »Was habe ich dir getan?! Du wolltest nicht, dass Christopher sich in einen Menschen verliebt – nun, das bin ich ja wohl nicht mehr. Aber gegen einen Geistdämon oder Racheengel hast du auch etwas. Wäre dir ein richtiger Engel lieber? Oder bist du der Meinung, dass Racheengel ihr Herz besser gar nicht erst verlieren sollten, damit sie ihren verdammten Job nicht vernachlässigen?!« Meine Wangen begannen zuglühen. Ich war dabei, mich in Rage zu reden, und stand kurz davor, Aron die Pest an den Hals zu fluchen.
Aron spürte das und ließ mich los. »Lynn, wenn du schon bei mir so heftig reagierst, wie, glaubst du, wird es dann bei Christopher sein?«
»Ich liebe ihn, vielleicht kann ich sein Dämonenerbe deshalb besser ertragen.«
»Dann frage dich, warum ihm das nicht gelingt.«
Meine Hand klatschte in Arons erstauntes Gesicht. »Du Scheißkerl! Nur weil Christopher umsichtig ist, heißt das noch lange nicht, dass er mich nicht liebt.«
»Aber auch nicht, dass er nicht darunter leidet. Denk darüber nach, bevor du mit ihm sprichst, wie groß deine Liebe wirklich ist. Er wartet auf dich beim Burghügel hinter dem Schloss.«
Aron ließ mich den kurzen Weg allein gehen, doch das reichte, um mich in ein mittelgroßes Gefühlschaos zu stürzen. Als ich Christophers Silhouette am Rand des Burghügels durch die Sträucher blitzen sah und sich meine Zweifel mit den Erinnerungen an seine Zärtlichkeit mischten, wäre ich am liebsten davongerannt – doch dafür war es zu spät. Christopher hatte mich entdeckt. Er wich meinem Blick aus, was er früher nie getan hätte.
Wieder empfing mich Kälte, als ich in den Kreis der alten Baumriesen trat, aber dieses Mal kam sie nicht nur von der Stille. Christopher, dessen Gegenwart mich gewärmt hatte, als die Totenwächterin nach meiner Seele gegriffen hatte, strahlte nun frostige Zurückweisung aus. Eine Eisskulptur verbreitete mehr Wärme als er.
»Was willst du wissen?« Ohne mich anzusehen, kam Christopher gleich auf den entscheidenden Punkt zu sprechen. Seine Schroffheit ließ mich meine mühsam formulierten Fragen vergessen. Nervös stopfte ich meine Hände in die Jeans.
»Warum gehst du mir aus dem Weg?«
»Hat Aron dir den Grund nicht genannt?«
»Er hat mir vieles erklärt. Aber ich denke, dass ich ein Recht auf eine Antwort von dir habe.«
Endlich sah Christopher mich an – besser, er hätte es nicht getan. Seine Nichtbeachtung war leichter zu ertragen. Widerwille spiegelte sich auf seinem Gesicht, steinerne Härte in seinen Augen. Doch das Schlimmste war, dass er versuchte, seinen Abscheu zu verbergen. Was ich in ihm nicht entdecken konnte, sah er in mir: eine widerliche Kreatur.
Es kostete mich meine ganze Selbstbeherrschung, nicht vor ihm zurückzuweichen. Auch ein Monster verdiente eine Antwort.
»Es würde dir schaden, wenn ich zu oft in deiner Nähe wäre«, sagte Christopher und drehte sich wieder weg von mir.
War das alles? Wollte er mich mit einer Ausrede abspeisen? Obwohl ich mir vorgenommen hatte, ruhig zu bleiben, ging ich auf Konfrontationskurs.
»Wie selbstlos von dir! Leider bin ich mit der Engelsmaterie noch nicht so vertraut. Könntest du mir vielleicht erklären, was dann passieren würde?«
Offenbar brachte ich Christopher mit meiner Widerspenstigkeit aus dem Gleichgewicht. Unruhig ballte er seine Hände zu Fäusten.
»Du würdest nicht nur auf Aron wütend werden.«
»Warum denkst du, dass er der Einzige ist, auf den ich wütend bin?«
»Weil du nur bei ihm die Kontrolle verlierst – aber das wird sich ändern.« Christophers Blick ging zurück in die Vergangenheit. »Zuerst glaubst du, der ein oder andere hätte etwas gegen dich. Dann
Weitere Kostenlose Bücher