Tanz der Engel
ließ ich ihn gegen das Türblatt krachen. Auch er hielt der Barriere nicht lange stand. Wütend riss ich die Bücher aus dem Regal und schleuderte sie gegen dieses dellenlose Wunderding. Jedes entzweigerissene Buch, jede zerfetzte Seite stachelte mich an, Arons Gefängnis zu entkommen. Vielleicht war mein Dämonenblut stärker als sein Engelszauber.
Ich zerfledderte mein Bett, riss die Latten aus dem Rahmen und versuchte, die Tür aus den Angeln zu heben. Die Bretter zerbrachen. Keines hielt dem Druck stand, mit dem ich gegen Arons Hexenwerk ankämpfte. Schließlich krallte ich meine Nägel in das lupenweiße Türblatt. Es half – sie hinterließen Spuren. Hässliche Kratzspuren. Aber das reichte nicht, um die Tür zu bezwingen.
Erst als ich am Ende meiner Kräfte war, gab ich auf, rollte mich in der dunkelsten Ecke meiner Kammer zusammen, verbarg meinen Kopf zwischen den Knien und schluchzte mich verzweifelt in den nächsten Albtraum.
Starke Hände knebelten mich, rissen meine Arme auseinander und fesselten sie hinter meinem Rücken. Ich trat nach meinem Widersacher, bis er von mir abließ. Aber er war hartnäckig, schnappte sich meine Beine, um sie wie ein Paket zusammenzuschnüren. Mein Aufbäumen half, obgleich er so viel stärker war als ich – trotz der Wut, die mich über meine Kraft hinauswachsen ließ.
Meine Vernunft kam zu spät. Noch bevor ich mich meinem Schicksal ergeben konnte, traf mich eine Faust und schickte mich weiter in einen traumlosen Schlaf.
Mein Zähneklappern weckte mich. Ich schlotterte am ganzen Körper, obwohl ich unter einer Decke lag. Der Raum roch abgestanden, modrig. Trotz der hohen Feuchtigkeit brannte mein Hals, als hätte ich tagelang nichts getrunken.
Vorsichtig versuchte ich mich zu orientieren, doch schon das Augenaufschlagen verursachte mir Übelkeit. Das wenige, das sich in meinem Magen befand, kroch meinen Hals empor. Es schmeckte bittersüß – nach Galle mit Zuckerwatte – und verätzte mir Mund und Speiseröhre. Schlucken verstärkte den beißenden Schmerz.
Bewegungslos blieb ich auf dem weichen Untergrund liegen und hoffte, dass es beim nächsten Mal weniger weh tat. Ichmusste lange warten. Schließlich beruhigte sich das Brennen. Doch meinen Plan, aufzustehen und mich umzusehen, verschob ich, da mir jegliche Kraft fehlte, mich zu bewegen – als hätte mir jemand meine ganze Lebensenergie entzogen.
Ich musste eingeschlafen sein. Mir war noch immer kalt, doch statt Zähnegeklapper weckte mich eine Stimme, die meinen Namen nannte: Aron. Er sprach leise, wie aus einem anderen Raum, aber laut genug, so dass ich ihn verstehen konnte. Reglos, um kein Geräusch zu verursachen, das ihn warnen konnte, lauschte ich – immerhin ging es um mich.
»… hat es lange hinausgezögert.«
»Es war die Angst vor ihm«, antwortete eine zweite, eine alte Stimme – vermutlich Coelestin. Er war einer der wenigen Engel auf der Schule, der darauf verzichtete, sein hohes Alter zu leugnen.
»Wahrscheinlich.«
Die auf das Wahrscheinlich folgenden Schritte ließen mich erstarren. Hatte Aron gemerkt, dass ich wach war und lauschte? Ich hielt den Atem an. Die Schritte verstummten, setzten wieder ein und stockten erneut. Offenbar lief er auf und ab. Seiner Stimme nach zu urteilen, brauchte er Bewegung, um sich abzureagieren.
»Hast du gesehen, was sie angerichtet hat? Ich … ich hätte nicht gedacht, dass es so plötzlich kommt.«
»Und ich nicht, dass du mit deiner Vermutung richtigliegst – und ich falsch.« Der Mann mit der älteren Stimme seufzte. »Ich hätte es wissen müssen.«
»Wie? Wenn selbst Christopher es nicht erkannt hat?«
»Oder nicht erkennen wollte.«
Ein schmerzhafter Stich durchbohrte mein Herz, als ich Christophers Namen hörte. Er war weg – und würde nicht zurückkommen. Wahrscheinlich war das gut so, redete ich mir ein. Doch das half nicht, den Schmerz zu vertreiben.
»Aber du hast es gesehen.«
»Nicht sofort«, antwortete Aron. »Als sie mich angriff, dachte ich, Sanctifer hätte sie gegen mich aufgestachelt und ihr eingeredet, ich wäre ihr größtes Übel.« Aron hielt inne. »Glaubst du, er weiß Bescheid?«
»Ich denke nicht.«
»Wir sollten ihn so lange wie möglich im Unklaren lassen.«
»Nicht nur ihn. Einen Abgesandten des Engelrats möchte ich an meiner Schule keinen Tag früher sehen als nötig. Am besten erst, wenn wir sicher sind, wie es sich weiterentwickelt.«
Mit es meinte er mich. Das zu schlucken fiel mir schwer. Nicht nur,
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