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Tanz der Engel

Tanz der Engel

Titel: Tanz der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Itterheim , Diana
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Gedanken lief ich von einem Marktstand zum anderen und begutachtete die mehr oder weniger trüben Augen der Tiere, die ihren letzten Flossenschlag längst getan hatten. Oder ich beobachtete die zappelnden Aale in ihren Kisten, die wie die Kraken versuchten, ihrem Schicksal zu entkommen.
    »Susan, du kannst nichts dafür«, tröstete Frau Klar die aufgelöste Susan und befahl ihr, mich loszulassen. »Nur wir Engel können unsere Gedanken miteinander teilen. Dass du sie nicht erreichst, zeigt nur, wie wenig sie dazu geeignet ist, einer zu werden.« Kassandra Klars Urteil traf mich. Obwohl ich wusste, wie wenig sie mich leiden konnte, schmerzte es, hören zu müssen, die absolute Fehlbesetzung zu sein.
    Ich ließ mir nichts anmerken und verharrte in meiner Beobachterrolle. Während Frau Klar beruhigend auf Susan einredete, tuschelten die anderen Schüler aufgeregt miteinander. Sie wussten nicht, wie sie mich einschätzen sollten. Den bösen Engel hatten sie nicht zu Gesicht bekommen, was sie einerseits beruhigte, andererseits aber auch enttäuschte. Furcht weckte seltsame Wünsche. Zu beobachten, wie ich zum Monster mutierte, war einer davon.
    Frau Klar erlöste Susan und beendete die Unterrichtsstunde,damit sie nicht länger meine Nähe ertragen musste. Susans angespannte Körperhaltung schrie förmlich vor Ablehnung. Mit atemberaubender Geschwindigkeit stürmte das langbeinige Mädchen mit den blonden Haaren davon und ließ mich – ihre dunkle Schattenversion – zurück.
    Arons Krafttraining wurde härter. Anstatt zu kapitulieren, stürzte ich mich geradezu auf die körperliche Herausforderung. Auch wenn ich glaubte, gleich unter der Last der Sandsäcke, die Aron mir auf den Rücken legte, zusammenzubrechen, quälte ich mich weiter. Völlig ausgepowert zu sein half mir am Abend, in eine Art Erschöpfungsschlaf zu fallen. So schafften es meine Albträume von Christopher, in denen sein lippenloser, faltiger Mund sich auf meinen legte, um mir meine Seele auszusaugen, erst nach ein paar Stunden, mich aus dem Schlaf zu reißen.
    Je besser ich lernte, Ekins Angriffen standzuhalten, umso härter schleuderte er mich zu Boden. Sobald ich ächzte oder länger liegen blieb, als ihm das gefiel, zerrte er mich auf die Beine, nur um gleich darauf einen weiteren Angriff zu starten. Als diesmal jedoch ein deutliches Knacken zu hören war, nachdem ich mal wieder die Erde von Nahem betrachten durfte, hielt er inne.
    »Kannst du aufstehen?« Der besorgte Unterton war mir neu – vielleicht stellte er mir eine Fangfrage.
    Noch während ich Luft zum Sprechen holte, bemerkte ich, was er schon vor mir wusste: Irgendetwas saß ganz und gar am falschen Platz. Etwas Spitziges, das mir in die Lunge pikste.
    »Bleib liegen, ich hab das gleich«, warnte Ekin, bevor er mich zur Seite drehte und mir unter die Rippen griff.
    Es war ein fieser Schmerz, der mich nach Luft schnappen ließ – keine gute Idee. Einatmen verschlimmerte das Ganze noch.
    »Halt still, und beweg dich nicht!«, gab Ekin mir erneut Anweisungen, während Aron neben mir niederkniete, um meine Schultern festzuhalten.
    Ekin arbeitete mit äußerster Präzision, zog meine Rippen auseinander und schob sie wieder in die richtige Position. Ich presste meine Lippen zusammen, um nicht laut aufzuschreien – ich versuchte tatsächlich, tapfer zu sein.
    »So! Du bist so gut wie neu. Deine Rippen waren nur angeknackst«, erklärte Ekin, als er fertig war.
    Im Gegensatz zu ihm traute ich der ganzen Sache nicht. Vorsichtig atmete ich ein und aus. Ich spürte nur ein leichtes Ziehen – damit konnte ich leben.
    »Aber vielleicht ist es besser, wenn wir heute etwas früher Schluss machen«, räumte Ekin ein und half mir auf die Beine.
    »Das halte ich für keine sinnvolle Idee«, meldete Aron sich zu Wort.
    »Hattest du heute nicht noch …«, Ekin stockte, »Lanze für sie vorgesehen? Es würde ihr guttun, ein wenig zu verschnaufen, bevor …«
    »Das kann sie beim Mittagessen«, schnitt Aron Ekin das Wort ab. »Aber wenn du keine Lust mehr hast, sie zu trainieren, werde ich das übernehmen.«
    Arons Aggressivität überraschte selbst Ekin. Mit einem Stirnrunzeln trat er zurück und machte Platz für meinen Tutor.
    Ich schluckte. Den ganzen Tag lang trainieren? Aron schien heute einen besonderen Gefallen daran zu finden, mich fertigzumachen. Ich sah mich schon die Treppe hochkriechen und todmüde ins Bett fallen.
    Aron schonte mich nicht. Sobald ich zu langsam war – meine Taktik hieß

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