Tanz der Engel
ich das schaffen, ohne dass sie mich in Stücke riss? Noch hielten die Ketten das Monster auf Abstand, doch sobald ich dem Wesen zu nahe kam, würde nichts es mehr daran hindern, zuzupacken.
Ich schüttelte meine Zweifel ab. Mich der Bestie zu stellen war die einzige Möglichkeit, Christopher zu helfen. Den fressgierigenSchlund ignorierte ich, stattdessen konzentrierte ich mich auf die letzten Farbreste in den blutunterlaufenen Augen. Christopher war noch da – ich wollte, dass es so war. Ich würde ihn zurückbringen!
Vorsichtig streckte ich meine Hand nach der Kreatur aus. Sie hielt still und ließ mich näher kommen. Meine Angst wuchs mit jedem Zentimeter. Ich riss mich zusammen. Furcht stärkte nur den Jäger.
Ein Schritt trennte mich noch von den klauenbewehrten Händen. Angespornt durch das Stillhalten und das vertraute Aufblitzen von Jadegrün in den Augen des Monsters, wagte ich diesen Schritt.
Der Schlag kam schnell. Panisch zuckte ich zurück. Scharfe Klauen streiften meine Hand. Der wütende Schrei, der folgte, klang ohrenbetäubend. Wild zerrte die Bestie an ihren Ketten und versuchte, mich zu erwischen. Wie betäubt taumelte ich von ihr weg. Mein Blut tropfte auf den Boden. Meine eigenen Krallen drängten hervor, um zurückzuschlagen. Verzweifelt presste ich die Finger gegeneinander. Unter keinen Umständen durfte ich die Kontrolle verlieren – nicht jetzt!
Der Schmerz zwang mich in die Knie. Der Dämonenanteil in mir wuchs. Entschlossen kämpfte ich ihn nieder. Ein Blick in Christophers Augen genügte, um mich zur Vernunft zu bringen. Er war noch da. Irgendwo in dieser Kreatur lebte etwas von ihm. Ich musste es nur schaffen, ihn zu finden.
Obwohl meine Hände pochten, wagte ich erneut, sie ihm entgegenzustrecken. Der zweite Schlag schleuderte mich zurück bis an die Barriere. Blaue Blitze zuckten um meinen Körper, doch ich spürte sie kaum. Der Schmerz, Christopher verloren zu haben, war tausendmal stärker.
Kapitel 16
Drill Instructor
L auf schneller! Oder soll ich dir Beine machen?!«
Arons Drohung ließ mich innerlich schrumpfen. Nach außen zeigte ich mich locker und cool – jedenfalls hoffte ich das, obwohl Aron sicher merkte, wie ich kämpfte, um mit ihm Schritt halten zu können. Vielleicht schätzte ich ihn auch völlig falsch ein. Zumindest versuchte er seit neuestem alles, um mich über meine Grenzen zu treiben, damit ich diesem bohrenden Verlangen, mich in einen Schattenengel zu verwandeln, nachgab und ihm eine reinhaute.
Vor Wut schäumend war Aron ins Verlies gestürmt. Seine dunklen, granitgrauen Augen blitzten unheilverkündend, sein schneeweißes Schwert leuchtete im Kerzenschein heller als die Vergeltung selbst. Wenn ich nicht gewusst hätte, wie ein Racheengel aussieht, dann hätte ich ihn mir genau so vorgestellt: zornig, selbstgerecht – und furchtbar sauer auf mich.
Mit der Hand um meinen Nacken hatte er mich hochgezerrt und quer durchs Schloss bis in mein Zimmer geschleift. Den Schülern, denen wir begegneten, blieb er jegliche Erklärung schuldig. Es störte ihn nicht, dass sie mir nachstarrten wie dem Teufel persönlich – vielleicht war ich das ja auch.
Selbst als er mich in den blauen Sessel drückte, behielt er seine Engelsgestalt. Nur sein Schwert hielt er nicht mehr in der Hand.
»Was für Spielchen erlaubst du dir, mit mir zu spielen?! Du mimst die gutwillige Schülerin und heckst hinter meinem Rücken einen Plan aus, wie du am besten ins Verlies kommst?!Hast du schon jegliche Skrupel verloren?« Aus Arons dunklen Augen schossen Blitze.
Automatisch duckte ich mich tiefer in den Sessel und umklammerte das Kissen wie ein Schutzschild. Auch wenn es ihn nicht abhalten würde von dem, was er vorhatte, schenkte er mir ein wenig Halt in einer Welt, der ich mich ausgeliefert fühlte.
»Ist dir eigentlich bewusst, was du angerichtet hast?«, fuhr Aron mit seiner Schimpftirade fort. »Es war für Markus schon schlimm genug, dich an der Grenze deiner Selbstkontrolle gegen Ekin kämpfen zu sehen, aber als Geisel ins Verlies zu einem Schattenengel verschleppt zu werden …«
Arons Wut breitete sich über mir aus wie ein eisiger Mantel. »Wie glaubst du, das je wiedergutmachen zu können?«
Ich schwieg. Darauf hatte ich keine Antwort – doch Aron erwartete eine. Verzagt ließ ich den Kopf hängen. Ich hatte es nicht geschafft, den Engel, den ich liebte, zu erreichen. Wie sollte mir das bei Markus gelingen?
»Sieh mich gefälligst an, wenn ich mit dir rede!«,
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