Tanz der Hexen
Dreck. Sieh doch, was du mit mir gemacht hast.« Und dann schnürte der Zorn ihr die Stimme ab, und sie lag bewegungslos und stumm da, vor Wut wie gelähmt. Wenn sie ihn kränkte, würde er womöglich stundenlang schmollen. Er würde vielleicht am Fenster stehen und weinen. Sei still. Sei clever.
Er stand da und betrachtete sie.
Dann zog er sein Messer hervor, klein und blitzend wie seine Zähne. So schnell durchschnitt er den Klebstreifen! Nichts dabei – der spindeldünne Riese beugte sich über sie – zipp, zipp, zipp.
Ihre Arme waren frei. Gefühllos, unbrauchbar, frei. Mit aller Kraft und Willensanstrengung versuchte sie, sie zu heben. Auch das rechte Bein konnte sie nicht rühren.
Sie fühlte seine Arme unter sich. Er hob sie hoch, richtete sich mit ihr auf, rollte sie gegen seine Brust.
Sie weinte. Sie schluchzte. Frei von diesem Bett, frei… wenn sie nur die Kraft hätte, ihm die Arme um den Hals zu schlingen und…
»Ich werde dich baden, mein Liebling, mein armer lieber Lie b ling«, sagte er. »Meine arme, geliebte Rowan.« Tanzten sie im Kreis herum? Oder war ihr nur so schwindelig? Sie roch das Badezimmer – Seife, Shampoo, saubere Sachen.
Er legte sie in die kalte Porzellanwanne, und dann spürte sie den ersten Strahl des heißen Wassers. »Nicht zu heiß«, wi s perte sie. Die grellweißen Kacheln bewegten sich, marschie r ten rings-umher an den Wänden hinauf.
»Nein, nicht zu heiß«, sagte er. Seine Augen waren größer, strahlender, die Lider besser konturiert als beim letzten Mal, da sie sie gesehen hatte; die Wimpern waren kürzer, aber i m mer noch üppig und kohlschwarz. Sie nahm es zur Kenntnis, als tippe sie es in einen Computer ein. Vollendet? Wer konnte das sagen? Wem würde sie ihre Erkenntnisse je übergeben können? Lieber Gott, wenn Larkin das Paket nicht bekommen hatte…
»Keine Angst, mein Liebling«, sagte er. »Wir werden gut z u einander sein. Wir werden einander lieben. Du wirst mir ve r trauen. Du wirst mich wieder lieben. Du hast keinen Grund, zu sterben, Rowan, überhaupt keinen Grund, mich zu verlassen. Rowan, liebe mich.«
Sie lag da wie tot und konnte ihre Glieder nicht rühren. Das Wasser umwirbelte sie. Er knöpfte ihre weiße Bluse auf, zog die Hose herunter. Das Wasser rauschte und zischte und war so warm. Und der schmutzige Geruch löste sich auf. Er schleuderte die schmutzigen Kleider weg.
Es gelang ihr, die rechte Hand zu heben, an ihrem Slip zu ze r ren und zu reißen, aber sie bekam ihn nicht herunter. Er war ins andere Zimmer gegangen. Sie hörte, wie die Laken vom Bett gerissen wurden; es war erstaunlich, was für Geräusche der Verstand zur Kenntnis nahm – Laken, die auf einen Ha u fen geworfen wurden. Wer hätte gedacht, daß so etwas übe r haupt Geräusche macht? Und doch kannte sie es genau, und sie erinnerte sich töricht an einen Nachmittag zu Hause in K a l i fornien, als ihre Mutter die Betten frisch bezogen hatte – g e nau die gleichen Geräusche waren das gewesen.
Eine Plastikverpackung wurde aufgerissen; ein frisches Laken fiel auseinander, wurde aufgeschüttelt, so daß die Falten sich lösten, bevor es auf dem Bett landete.
Sie rutschte herunter, und das Wasser stieg ihr bis zu den Schultern. Wieder versuchte sie, die Arme zu benutzen; sie drückte und stemmte sich gegen die Kacheln und konnte sich aufrichten.
Er stand neben ihr; er hatte seine schwere Jacke ausgezogen und trug einen schlichten Rollkragenpullover, und wie immer sah er erschreckend dünn aus. Aber er war stark und stattlich trotz seiner Magerkeit und hatte nichts von der verspannten, neurotischen Betretenheit der sehr Dünnen, Untergewichtigen, Übergroßen. Sein Haar war inzwischen so lang, daß es seine Schultern bedeckte. Es war so schwarz wie Michaels Haar, und je länger es wurde, desto weicher wurden die Locken, so daß es nun fast wellig aussah. In dem Dampf, der aus der Wanne stieg, kräuselte sich das Haar an seinen Schläfen ein wenig, und sie sah einen glitzernden Schimmer auf seiner scheinbar porenlosen Haut, als er sich niederbeugte, um sie zu liebkosen.
Er lehnte sie an die Rückwand der Badewanne, hob sein kle i nes Messer – ach, könnte sie wagen, danach zu greifen! – und schnitt ihren Slip auf, zog ihn aus dem sprudelnden Wasser und warf ihn beiseite. Dann kniete er neben der Wanne nieder.
Er sang wieder, schaute sie an und sang oder summte, oder was es sonst war, was er da hervorbrachte – dieser seltsame Klang, der sie fast an die
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