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Tanz der Hexen

Tanz der Hexen

Titel: Tanz der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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mir eingehüllt in die Geheimnisse der Naturwissenschaft. Wir haben eine so schrecklich, schrecklich falsche Vorstellung von Naturwissenschaft. Wir glauben, dabei dreht es sich um das Klare, das Präzise, das Bekannte; aber sie ist eine grauenhafte Reihe von Toren zu einem Unbekan n ten, das ebenso gewaltig ist wie das Universum – also endlos. Und ich wußte das. Ich wußte es und habe es vergessen. Das war mein Fehler.«
    Sie stellte sich das Gras vor, beschwor die Ruinen herauf, sah die hohen, zerbrechlichen grauen Bögen der Kathedrale, die sich aus dem Glen erhoben, und es war, als sei sie wirklich dort und frei.
    Ein Geräusch ließ sie zusammenzucken.
    Es war der Schlüssel im Schloß.
    Sie lag still und reglos. Ja, der Schlüssel drehte sich. Die A u ßentür wurde laut und furchtlos zugeschlagen, und dann hörte sie seinen Schritt auf dem Fliesenboden. Sie hörte ihn pfeifen, summen.
    O Gott, danke, Gott.
    Noch ein Schlüssel. Noch ein Schloß, und dieser Duft, sein weicher, guter Duft, als er auf das Bett zukam.
    Sie bemühte sich, Haß zu fühlen, davon starr zu werden, dem mitfühlenden Ausdruck in seinem Gesicht zu widerstehen, seinen großen glitzernden Augen. Sein Bart war jetzt sehr schwarz und dicht; er sah aus wie der eines Heiligen auf e i nem Bild. Seine Stirn war von erlesener Form.
    Ja, ein schönes Ding, unbestreitbar wunderschön. Vielleicht war er auch gar nicht da. Vielleicht träumte sie. Vielleicht bild e te sie sich nur ein, daß er endlich zurückgekommen war.
    »Nein, mein Liebling, meine Geliebte, ich liebe dich«, flüsterte er. Oder nicht?
    Als er sich näherte, merkte sie, daß sie auf seinen Mund schaute. Eine kaum merkliche Veränderung war mit seinem Mund vor sich gegangen. Es war jetzt mehr ein Männermund, rosig und von entschlossener Form. Ein Mund mußte so sein, wenn er bestehen wollte unter dem dunkel glänzenden Schnurrbart und den krausen, kurzen Locken des Bartes.
    Sie wandte sich ab, als er sich niederbeugte. Seine warmen Finger schlangen sich um ihre Oberarme, und seine Lippen streiften ihre Wange. Er berührte ihre Brüste mit seiner großen Hand, rieb die Warzen, und das unwillkommene Gefühl durchrieselte sie. Kein Traum. Seine Hände. Sie hätte das Bewuß t sein verlieren können, um es auszusperren. Aber sie war da, hilflos, und sie konnte es nicht verhindern.
    Es war so erniedrigend, diese jähe, überschwengliche Freude darüber zu empfinden, daß er hier war, unter seinen Berührungen in Glut zu geraten, als wäre er ein Liebhaber, kein Kerkermeister, und sich aus ihrer Isolation jeglicher Art von Freundlichkeit oder Zärtlichkeit bewußtlos entgegenzuheben, die der Wärter ihr bot.
    »Mein Liebling, mein Liebling.« Sein Kopf ruhte auf ihrem Bauch, und er rieb das Gesicht an ihrer Haut, ohne auf das schmutzige Bett zu achten, und summte, wisperte und stieß dann einen lauten Schrei aus; er richtete sich auf und fing an zu tanzen, immer rundherum, einen Jig, das Bein erhoben, singend, klatschend. Es war, als sei er in Ekstase! Oh, wie oft hatte sie ihn dabei schon beobachtet, aber noch nie mit soviel Genuß. Und was für ein wunderliches Spektakel das war. So zart waren die langen Arme, die geraden Schultern; seine Handgelenke schienen doppelt so lang wie die eines normalen Mannes.
    Sie schloß die Augen, und vor den dunklen Lidern hörte die Gestalt nicht auf, umherzuhüpfen und zu wirbeln. Sie hörte das Stampfen seiner Füße auf dem Teppich und das Perlen seines entzückten Gelächters.
    »Gott, warum bringt er mich nicht um?« flüsterte sie.
    Er wurde still, und er beugte sich wieder über sie.
    »Es tut mir leid, mein Liebling, meine Liebe. Es tut mir leid.« Oh, diese hübsche Stimme. Die dunkle Stimme. »Ich wollte nicht so lange wegbleiben«, sagte er. »Ich habe ein bitteres, herzzerreißendes Abenteuer erlebt.« Seine Worte kamen jetzt schneller aus seinem Mund. Und dann verfiel er wie immer in Raunen und Summen, wiegte sich auf den Füßen vor und z u rück, summte und murmelte, oder war es ein Pfeifen, das da aus seinen trockenen Lippen kam, ein feines Pfeifen?
    Er kniete nieder, als sei er zusammengebrochen. Wieder legte er seinen Kopf auf ihren Leib; seine warme Hand baumelte zwischen ihren Beinen an ihrem Geschlecht, wiederum ohne auf den Schmutz im Bett zu achten, und er küßte die Haut ihres Bauches. »Mein Liebling, meine Liebe.«
    Sie konnte einen Aufschrei nicht unterdrücken.
    »Laß mich los, laß mich aufstehen. Ich liege hier im

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