Tanz der Hexen
zum Bett. Er hatte es mit weißen Gänseblumen aus einem der Sträuße übersät, und als sie auf die steifen Stiele und duftenden Blüten sank, mußte sie lachen. Es war ein so gutes Gefühl, daß sie sich gehenließ, lachte und lachte, bis es wie ein Lied aus ihr hervorsprudelte.
Er beugte sich über sie, um sie zu küssen.
»Tu’s nicht wieder. Wenn ich noch eine Fehlgeburt habe, we r de ich sterben. Es gibt leichtere und schnellere Methoden, mich umzubringen. Du kannst kein Kind von mir bekommen, begreifst du das nicht? Wie kommst du auf die Idee, daß du überhaupt von jemandem ein Kind bekommen kannst?«
»Ah, aber du wirst diesmal keine Fehlgeburt haben.« Er legte sich neben sie und strich ihr mit der Hand über den Bauch. Er lächelte und stieß summend eine rapide Folge von Silben aus, wobei sein Mund sich für einen Augenblick grotesk verformte – es war eine Sprache!
»Ja, mein Liebling, meine Liebe, das Kind lebt, und das Kind kann mich hören. Das Kind ist weiblich. Das Kind ist da.«
Sie kreischte.
Ihre Wut richtete sich gegen das ungeborene Ding. Töte es, töte es, töte es. Und dann – als sie zurücksank, schweißgeb a det, schon wieder stinkend, mit dem Geschmack von Erbr o chenem im Mund – hörte sie ein Geräusch, als ob jemand weinte.
Er summte seinen seltsamen Gesang.
Dann kam das Weinen.
Sie schloß die Augen und versuchte, Sinn in die Laute zu bringen.
Sie konnte es nicht.
Aber sie hörte eine neue Stimme, und die neue Stimme war in ihr und sprach zu ihr in einer Sprache, die sie ohne Worte verstand. Sie suchte ihre Liebe, ihren Trost.
Ich werde dir nichts tun, dachte sie. Und die Stimme antwort e te ihr, ohne Worte, in Dankbarkeit und Liebe.
Gütiger Gott, es lebte; er hatte recht. Es lebte, und es konnte sie hören. Es hatte Schmerzen.
»Es wird nicht sehr lange dauern«, sagte er. »Ich sorge für dich mit meinem ganzen Herzen. Du bist meine Eva, und doch bist du ohne Erbsünde. Und wenn es geboren ist, kannst du sterben, wenn du willst.«
Sie antwortete nicht. Warum sollte sie? Zum ersten Mal seit zwei Monaten gab es jemand anderen, mit dem sie reden konnte. Sie wandte den Kopf ab.
13
Anne Marie Mayfair saß steif auf der glatten, beigefarbenen Plastikcouch in der Eingangshalle des Krankenhauses. Mona sah sie gleich, als sie hereinkam. Anne Marie trug immer noch das marineblaue Kostüm, das sie auf der Beerdigung getragen hatte und die übliche hochgeschlossene Bluse mit dem R ü schenbesatz.
Sie blickte auf, als Mona herantrat. Mona gab ihr einen Kuß auf die Wange und plumpste dann neben ihr auf das Sofa.
»Hat Ryan angerufen?« fragte Anne Marie; ihr Tonfall war gedämpft und diskret, obwohl nur wenige Leute in dem hell erleuchteten Foyer unterwegs waren. Aufzugtüren öffneten und schlössen sich weit hinten in einer Nische. Die Aufnahme mit der hohen, unpersönlichen Theke war leer.
»Du meinst, wegen Mutter?« fragte Mona. Sie haßte diesen Ort. Wenn sie erst einmal reich wäre, ein gewaltiger Mayfair-Mogul mit Investmentfonds in allen Bereichen der Wirtschaft, dann würde sie sich eine Weile mit Innenarchitektur beschäftigen, um so sterile und kalte Orte wie diesen hier ein bißchen lebendiger zu gestalten. Dann fiel ihr Mayfair Medical ein. Natürlich mußte dieser Plan weitergeführt werden! Sie mußte Ryan helfen. Sie durften sie nicht ausschließen. Morgen würde sie mit Pierce darüber reden. Und mit Michael, sobald er sich ein bißchen wohler fühlte.
Sie schaute Anne Marie an. »Ryan sagt, Mutter ist hier drinnen.«
»Ja, na ja, das stimmt. Sie schläft, seit sie ihr heute morgen eine Nadel in den Arm gestochen haben. Aber ich meinte e t was anderes. Hat Ryan dich wegen Edith angerufen?«
»Nein. Was ist mit Edith?« Mona kannte Edith kaum. Edith war Laurens Enkelin, eine schüchterne, zänkische Einsiedlerin, die in der Esplanade Avenue wohnte und ihre ganze Zeit mit Ka t zen verbrachte – eine in allem vorhersehbare und langweilige Frau, die nie irgendwo hinging, anscheinend nicht mal zu B e erdigungen. Edith. Wie sah sie aus? Mona wußte es nicht g e nau.
Anne Marie richtete sich auf, warf die Zeitschrift auf den Tisch und schob sich die Brille vor die hübschen Augen. »Edith ist heute nachmittag gestorben. An einer Blutung, genau wie Gi f ford. Ryan sagt, die Frauen der Familie dürfen alle nicht mehr allein bleiben. Es könnte etwas Genetisches sein. Wir sollen immer in der Nähe anderer Leute bleiben. Wenn dann etwas passiert,
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