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Tanz der Hexen

Tanz der Hexen

Titel: Tanz der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Claudettes Mutter.
    Gold, Juwelen, Münzen aus aller Herren Länder und jeglichen Luxus hatte diese Familie angehäuft. Nicht einmal die Revol u tion auf Saint-Domingue hatte diesen unermeßlichen Reic h tum vernichten können. Sehr wenig davon hing noch von der Qualität der Ernte ab; das meiste türmte sich wohlverwahrt an den verschiedensten Orten.
    »Deine Mutter weiß nicht einmal, was sie alles besitzt«, sagte Marie Claudette, »und je mehr ich darüber nachdenke, desto wichtiger wird es, daß ich es dir sage.«
    Ich pflichtete ihr natürlich bei. All die Macht und der Reichtum, sagte Grandmère, seien durch das Wirken des Geistes Lasher auf uns gekommen, der jene töten könne, die die Hexe für den Tod zeichnete, der diejenigen quälte, die sie dem Wahnsinn bestimmte, und der ihr alle Geheimnisse offenbaren könne, die Sterbliche sich zu wahren bemühten; er könne sogar Gold und Juwelen auf magischem Wege herbeischaffen, wenngleich er dafür eine große Menge Energie benötige.
    Ein liebevolles Wesen sei dieser Geist, erzählte sie, aber es erfordere einige Kunst, ihn im Zaum zu halten. Ich sollte nur sehen, wie er sie in letzter Zeit verlassen habe und sich nur noch um Katherines Wiege herumtreibe.
    »Weil sie ihn nicht sehen kann«, sagte ich. »Er gibt sich große Mühe, und er will nicht aufgeben, aber es nützt nichts.«
    »Ach, stimmt das? Das ist nicht zu glauben – eine Enkelin von mir, die das Wesen nicht sehen kann?«
    »Schau es dir doch selbst an. Das Kind bewegt die Augen nicht. Es sieht das Wesen nicht einmal, wenn es in seiner stärksten Form erscheint.«
    »Ah, du weißt also, daß es das tut.«
    »Ich höre ja seine Schritte auf der Treppe«, sagte ich. »Ich kenne seine Tricks. Er kann sich aus dünnem Dunst in ein massives Wesen verwandeln und dann in einem warmen Windhauch verschwinden.«
    »Du, du hast eine scharfe Beobachtung«, sagte sie. »Ich liebe dich.« Ich war von ganzem Herzen entzückt, als ich das hörte, und sagte ihr, ich liebte sie ebenfalls, was stimmte: Sie war mir teuer. Auch war mir, während ich auf ihren Knien saß, klargeworden, daß ich alte Menschen meistens schöner fand als junge.
    Dies sollte mein Leben lang gelten. Natürlich liebe ich auch junge Menschen, vor allem wenn sie sehr unbekümmert und tapfer sind, wie es meine Stella war, oder Mary Beth. Aber Menschen in der Mitte des Lebens? Die kann ich kaum ertr a gen.
    Erlauben Sie mir, Ihnen zu sagen, Michael, daß Sie eine Au s nahme sind. Nein, sprechen Sie nicht. Brechen Sie nicht die Trance. Ich will nicht sagen, daß Sie im Grunde Ihres Herzens ein Kind sind, aber Sie haben kindlichen Glauben und He r zensgüte, und das finde ich ebenso faszinierend wie auch in gewisser Weise aufreizend. Sie haben mich herausgefordert. Wie viele Leute mit irischem Blut wissen Sie, daß alle mögl i chen übernatürlichen Dinge möglich sind. Aber es ist Ihnen gleichgültig. Sie gehen umher und reden mit hölzernen Balken und Bohlen und Putz!
    Aber genug. Alles hängt jetzt von Ihnen ab. Ich will zu Marie Claudette zurückkehren, und zu den Einzelheiten, die sie mir über unseren Familiengeist erzählte.
    »Er hat zwei Arten von Stimme«, erklärte sie, »eine Stimme, die man nur im Kopf hören kann, und die Stimme, die du g e hört hast und die jeder hören kann, der die richtigen Ohren dazu hat. Und manchmal ist diese Stimme so laut und klar, daß wirklich jedermann sie hören kann. Das aber ist nicht oft der Fall, weißt du, denn es strengt ihn an, und woher bekommt er seine Kraft? Von uns – von mir, von deiner Mutter und w o möglich sogar von dir, denn ich habe ihn schon in der Nähe gesehen, wenn du da warst, und ich habe gesehen, wie du ihn anschaust.
    Was die innere Stimme angeht, so kann er dich damit plagen, wann er will, wie er es schon mit so manchem Feind getan hat – es sei denn natürlich, du wärest dagegen gewappnet.«
    »Und wie wappnest du dich?« fragte ich.
    »Kannst du es nicht erraten?« fragte sie. »Laß sehen, wie schlau du bist. Du siehst ihn bei mir, und das bedeutet, daß er erschienen ist, nicht wahr? Er bietet seine Kräfte auf, zieht sich zusammen, wird für ein paar köstliche Augenblicke wie ein Mann. Dann ist er erschöpft und verschwindet. Warum, glaubst du, gibt er mir so viel von sich, statt einfach nur in meinem Kopf zu raunen: ›Du arme alte Seele, ich werde dich nie vergessen.‹?«
    »Weil er gesehen werden will«, sagte ich achselzuckend. »Er ist eitel.«
    Sie lachte

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