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Tanz der Hexen

Tanz der Hexen

Titel: Tanz der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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etwas Süßes zu bringen.
    Yuri schätzte, daß Stolov etwa zehn Jahre älter war als er, also vielleicht vierzig.
    »Sie sind sehr mißtrauisch, und das zu recht«, sagte Stolov. »Aber, Yuri, wir sind ein Orden, eine Familie. Sie hätten das Mutterhaus nicht auf diese Weise verlassen sollen.«
    »Das haben Sie schon mal gesagt. Warum haben die Ältesten mir verboten, mit Aaron Lightner zu sprechen?«
    »Sie hatten ja keine Ahnung, daß dieses Verbot solche Folgen haben würde. Sie wollten lediglich die Dinge eine Zeitlang auf sich beruhen lassen, um Maßnahmen zum Schütze Aarons zu ergreifen.«
    Die Kellnerin stellte ihnen Gebäck auf den Tisch, süß duftend, mit Zuckerguß bedeckt und klebrig. Yuri war nicht hungrig. Er hatte im Flugzeug etwas absolut Unappetitliches, aber sehr Sättigendes zu sich genommen.
    »Sie haben gesagt, man hat Rowan Mayfair gefunden«, sagte er, und dabei starrte er das Gebäck an und stellte sich vor, wie klebrig es sich anfühlen würde. »Sie haben ein Krankenhaus erwähnt.«
    Stolov nickte. Er trank seinen bernsteinfarbenen Kaffee und blickte mit seinen eigentümlich sanften, hellen Augen auf. Die Abwesenheit jeglicher Farbe ließ sie leer aussehen – und dann plötzlich auch wieder unerklärlich aggressiv. Yuri begriff nicht, warum.
    »Aaron ist böse auf uns«, sagte Stolov. »Er ist nicht kooperativ. Am Weihnachtstag ist etwas passiert bei den Mayfairs. Er glaubt, daß er Rowan Mayfair hätte helfen können, wenn er dagewesen wäre. Er gibt uns die Schuld daran, daß er nicht zu Rowan gegangen ist. Aber er irrt sich. Es hätte ihn das Leben gekostet. So wäre es ausgegangen. Aaron ist alt. Seine Ermittlungsarbeit hat ihn noch selten – wenn überhaupt jemals – in eine so unmittelbare Gefahr gebracht.«
    »Diesen Eindruck hatte ich nicht«, sagte Yuri. »Die Familie Mayfair hat schon einmal versucht, ihn umzubringen. Aaron hat schon oft in Gefahr geschwebt. Auch bei anderen Ermittlungen. Aaron ist deshalb so wertvoll für den Orden, weil er schon so viel gesehen und erledigt hat.«
    »Ah, aber Sie müssen wissen, daß jetzt nicht die Familie ihn bedroht, nicht die Mayfair-Hexen, sondern ein Individuum, dem sie sozusagen Beihilfe geleistet haben.«
    »Lasher.«
    »Wie ich sehe, kennen Sie die Akten.«
    »Ich kenne sie, ja.«
    »Warum sind Sie so wütend, Yuri?« Was für eine angenehme, dunkle, respektvolle Stimme.
    »Ich bin nicht wütend, Stolov. Ich bin nur sehr mißtrauisch. Mein Leben lang war ich der Talamasca treu ergeben. Die Talamasca hat mich zum Erwachsenen gemacht. Ich wäre es vielleicht nicht geworden, wenn der Orden nicht gewesen wäre. Aber jetzt stimmt hier etwas nicht. Die Leute benehmen sich sonderbar. Ihr Tonfall ist sonderbar. Ich möchte mit den Ältesten sprechen. Ich will sie sprechen!«
    »Das geht nicht, Yuri«, sagte Stolov ruhig. »Niemand spricht mit den Ältesten, und das wissen Sie. Aaron hätte es Ihnen sagen können. Sie können auf die übliche Weise mit ihnen kommunizieren -«
    »Ah, aber dies ist ein Notfall.«
    »Für die Talamasca? Nein. Für Aaron und für Yuri, ja, auf jeden Fall. Aber für die Talamasca gibt es keinen Notfall. Wir sind wie die Römische Kirche.«
    »Rowan Mayfair – Sie haben gesagt, man hat sie gefunden. Was ist passiert?«
    »Sie ist im Mercy Hospital, aber im Laufe des Vormittags wird man sie nach Hause bringen. Über Nacht war sie an ein Beatmungsgerät angeschlossen. Heute morgen hat man es weggenommen. Sie atmet jetzt allein. Aber sie wird nicht wieder zu sich kommen. Ihr Hirn hat einen enormen Schaden genommen, einen Schaden, wie er durch Schock, Rauschgift-Überdosis, allergische Reaktion oder plötzlichen Adrenalinanstieg hervorgerufen wird; ich zitiere jetzt ihre Ärzte und sage Ihnen, was sie der Familie sagen.
    Sie wissen, daß sie nicht wieder zu sich kommen kann. Ihre eigenen Wünsche hinsichtlich einer solchen Situation liegen schriftlich vor. Als Erbin des Vermächtnisses hat sie Anordnungen für den Fall einer solchen Krise getroffen. Sobald eine negative Prognose bestätigt ist, soll man die lebenserhaltenden Apparate abschalten und sie nach Hause bringen.«
    Stolov sah auf seine Uhr, ein ziemlich scheußliches Gerät, vollgestopft mit kleinen Skalen und digitalen Anzeigen.
    »Wahrscheinlich wird sie soeben nach Hause transportiert.« Er sah Yuri an. »Aaron ist höchstwahrscheinlich dabei. Geben Sie ihm ein bißchen Zeit.«
    »Ich gebe Ihnen jetzt noch genau zwanzig Minuten. Erklären Sie sich. Sonst

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