Tanz der Hexen
gehe ich.«
»Also gut. Dieses Individuum – Lasher – ist sehr gefährlich. Er ist einzigartig, soweit man weiß. Er versucht verzweifelt, sich zu vermehren. Es gibt Hinweise darauf, daß ihm einige Mitglieder der Familie Mayfair dabei nützlich sein können. In der Familie existiert eine genetische Besonderheit, ein kompletter Chromosomensatz, den andere Menschen nicht haben. Und es gibt Hinweise darauf, daß Michael Curry den gleichen Überschuss an geheimnisvollen Chromosomen hat. Es ist ein Phänomen, das in nördlichen Regionen vorkommt, speziell bei den Kelten. Als Rowan und Michael sich paarten, produzierten sie dieses einzigartige Wesen. Es ist kein Mensch. Aber es hätte vielleicht nicht erfolgreich zur Welt gebracht werden können, wenn nicht eine außergewöhnliche spirituelle Intervention stattgefunden hätte: die Migration, wenn Sie so wollen, einer machtvollen, eigenwilligen Seele. Diese Seele drang in den Embryo ein, bevor dessen Seele ihn unter Kontrolle gebracht hatte, und dann steuerte sie die Entwicklung des Embryos und bediente sich dabei dieser überschüssigen Chromosomen, um ein neues, vielleicht noch nie dagewesenes Konzept zu verwirklichen. Es war, wenn Sie so wollen, ein Zusammentreffen von Magie und Wissenschaft, von etwas Spirituellem und einer genetischen Unregelmäßigkeit, die sich diese spirituelle Kraft zunutze machte. Eine Art physikalische Gelegenheit für ein okkultes, mächtiges Wesen.«
Yuri dachte eine ganze Weile darüber nach. Lasher, der Geist, der Fleisch sein wollte, der Petyr van Abel mit seinen finsteren Voraussagen bedroht hatte, der wieder und wieder versucht hatte, sich zu materialisieren, war von Rowan Mayfair geboren worden. So weit war er mit seinen Schlußfolgerungen bereits gediehen, bevor er hergekommen war. Daß die Kreatur sich paaren und vermehren wollte, das war etwas, woran er noch nicht gedacht hatte. Aber es war folgerichtig.
»Oh, äußerst folgerichtig«, sagte Stolov. »Die Vermehrung ist die Grundlage der Evolution. Das Wesen ist jetzt in den umfassenden Plan der Evolution hineingeraten. Es hat seinen großartigen Auftritt gehabt. Jetzt möchte es sich fortpflanzen und die Macht übernehmen. Und wenn es die richtige Frau findet, dann wird ihm das gelingen. Rowan Mayfair hat es mit seinen Vermehrungsversuchen zerstört. Kurze, gescheiterte Schwangerschaften haben ihren Körper verwüstet. Andere Frauen der Familie, ohne jenen Chromosomenüberschuß, haben innerhalb weniger Stunden nach dem Besuch des Wesens tödliche Blutungen erlitten. Die Familie weiß, daß die Kreatur Rowan Mayfair zerstört hat und daß sie eine Gefahr für andere Mayfair-Frauen darstellt, daß sie rapide ein Leben nach dem anderen verbrauchen wird, um eine zu finden, die die Befruchtung überlebt und erfolgreich gebären kann. Die Familie wird die Reihen schließen, sich schützen und dieses Wissen geheimhalten, wie sie es mit okkulten Geheimnissen dieser Art schon in der Vergangenheit stets getan hat. Sie wird das Wesen auf ihre Weise und unter Einsatz ihrer ungeheuren Ressourcen suchen. Sie wird nicht erlauben, daß die Außenwelt ihnen dabei behilflich ist oder auch nur davon weiß.«
»In welcher Gefahr schwebt Aaron dabei? Aus dem, was Sie sagen, geht das nicht hervor.«
»Aber es liegt auf der Hand. Aaron weiß von diesem Wesen. Er weiß, was es ist. In den ersten Tagen nach Weihnachten, bevor die Mayfairs begriffen hatten, was geschehen ist, hat man unvorsichtig gehandelt. Man hat am Schauplatz der Geburt dieser Kreatur Spurenmaterial gesammelt und an ein neutrales Institut geschickt. Dann hat Rowan selbst sich an einen Arzt in San Francisco gewandt und ihm Gewebeproben von der Kreatur und von sich selbst geschickt. Das war ein schrecklicher Fehler. Der Arzt, der diese Proben analysiert hat, ist tot. Der Arzt, der das Material bei ihm abgeliefert hat und jetzt hergekommen ist, um darüber mit der Familie zu sprechen, ist spurlos verschwunden. Gestern abend hat er sein Hotel hier ohne jede Erklärung verlassen. Seitdem hat man ihn nicht mehr gesehen. In New York sind alle Berichte über genetische Untersuchungen im Zusammenhang mit diesem Wesen verschwunden, ebenso in einem gentechnischen Labor in Europa, das von dem New Yorker Institut mit Proben seiner Arbeit beliefert worden ist. Nirgendwo findet sich jetzt ein Hinweis mehr auf dieses Wesen…
Aber wir… die Talamasca – wir wissen alles über dieses Wesen. Alles. Das Wesen wird versuchen, unser Wissen
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