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Tanz der Hexen

Tanz der Hexen

Titel: Tanz der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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sieht nicht gut aus. Sie zeigt keinerlei Reaktionen. Klingt komatös. Wir versuchen, Dr. Larkin im Pontchartrain zu erreichen. Aber der meldet sich nicht.«
    »Was mache ich jetzt? Wo fahre ich hin?« Am liebsten wäre er auf der I-10 nach Norden gefahren, bis er den Krankenwagen gesehen hätte, um zu wenden und ihn dann bis ins Krankenhaus zu begleiten. Eine Stunde! »Henri, holen Sie mir meine Jacke. Suchen Sie meine Brieftasche. Unten in der Bibliothek. Ich habe meine Schlüssel und die Brieftasche auf dem Boden liegen lassen.«
    »Mercy Hospital«, sagte Ryan. »Sie haben alles vorbereitet. Die Mayfair-Etage. Wir treffen uns dort. Du hast Dr. Larkin auch nicht gesehen, oder?«
    Sekunden später hatte Michael seine Jacke angezogen. Er trank das Glas Orangensaft, das Eugenia ihm entgegenhielt, während sie ihn mit entschiedenen Worten daran erinnerte, daß er nichts zu Abend gegessen habe und daß es schon elf Uhr sei.
    »Henri, fahren Sie den Wagen nach vorn. Schnell!«
    Rowan lebte. Rowan würde in weniger als einer Stunde im Mercy Hospital sein. Rowan kam nach Hause! Gott verdammt noch mal, ich wußte, daß sie wiederkommt, aber doch nicht so!
    Er hastete hinunter in den vorderen Flur, nahm Eugenia seine Schlüssel und die Brieftasche ab und stopfte sich alles in die Taschen.
    »Hören Sie zu, Eugenia, Sie müssen etwas sehr Wichtiges erledigen«, sagte er. »Gehen Sie hinauf in mein Zimmer. Da steht ein altes Victrola auf dem Boden. Ziehen Sie es auf und spielen Sie die Schallplatte ab. Okay?«
    »Jetzt? Mitten in der Nacht? Wozu?«
    »Tun Sie’s einfach. Warten Sie. Bringen Sie das Ding hinunter in den Salon. Das macht es leichter. Ach, lassen Sie, Sie können es ja doch nicht tragen. Gehen Sie hinauf und spielen Sie die Platte ein paarmal, und dann gehen Sie ins Bett.«
    »Ihre Frau wird gefunden, Sie fahren ins Krankenhaus, um sie zu sehen, und da sagen Sie mir, ich soll eine Schallplatte spielen?«
    »Richtig. Sie haben mich genau verstanden.«
    Da kam der Wagen. Er sprang die Treppe hinunter und wandte sich rasch noch einmal zu Eugenia um.
    »Tun Sie’s!« sagte er und lief hinaus. »Der entscheidende Punkt ist, daß sie noch lebt!«
    Er schob sich auf den Rücksitz des Wagens. »Los!« Er schlug die Tür zu. »Sie lebt, und wenn sie lebt, wird sie mich hören, ich rede mit ihr, und sie wird mir sagen, was passiert ist. Jesus Christus, Julien, sie lebt. Die Stunde ist noch nicht gekommen.«
    Als der Wagen in die Magazine Street einbog und in Richtung City fuhr, fiel ihm das Gedicht wieder ein, alle Strophen, eine lange Kette von dunklen, traumartigen Worten. Er hörte Juliens Stimme, deren eleganter französischer Akzent die Worte zum Leben erweckte, wie die alten Mönche die Buchstaben zum Leben erweckt hatten, wenn sie sie leuchtend rot oder golden ausmalten und mit winzigen Figuren und Blättern verzierten.
     
    Habt acht vor Beobachtern in jener Stunde,
    Verbannt die Doktoren ganz aus dem Haus.
    Gelehrte nähren nur weiter das Böse,
    Und Forscher helfen ihm weiter hinauf.
     
    »Ist das nicht schrecklich?« sagte Henri jetzt. »AU die armen Frauen. Wenn man sich das vorstellt – alle auf die gleiche Art gestorben.«
    »Wovon, zum Teufel, reden Sie?« fragte Michael. Er sehnte sich nach einer Zigarette. Er roch den süßen Duft von Juliens Cheroot, der noch in seinen Kleidern hing. Wie ein Blitzschlag durchfuhr ihn die Erinnerung. Julien, wie er die Cheroot anzündete und den Rauch einatmete, und wie er ihm dann zuwinkte. »Was für arme Frauen? Wovon reden Sie? Wie spät ist es?« »Halb zwölf, Boß«, sagte Henri. »Ich rede von den anderen Mayfair-Frauen. Miss Monas Mutter, die in der Vorstadt gestorben ist, und Miss Edith in der City, obwohl ich mich nicht erinnern kann, sie je kennen gelernt zu haben; und wie die andere Lady geheißen hat, weiß ich gar nicht mehr, und die Lady in Houston und die, die danach kam.« »Wollen Sir mir etwa sagen, daß diese Frauen alle tot sind?« »Ja, Boß. Und alle auf die gleiche Art gestorben, sagt Miss Bea. Mr. Aaron hat angerufen. Alle haben angerufen. Wir wußten ja nicht, daß Sie zu Hause waren. Oben im Zimmer war kein Licht. Woher sollte ich wissen, daß Sie auf dem Fußboden schlafen?«
     
    Henri erzählte und erzählte: wie er das ganze Haus nach Michael abgesucht hatte, und wie er dies und jenes zu Eugenia gesagt hatte, und wie er dann draußen nach ihm gesucht hatte, und so weiter. Michael hörte es nicht. Er sah, wie die verfallenen alten

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