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Tanz der Hexen

Tanz der Hexen

Titel: Tanz der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Kassettenwänden und birnenförmig gedrechselten Bettpfosten, mit ockergelbem Samt behangen; die Wände der Kammer waren von der gleichen Farbe, aber die Decke wie auch der Betthimmel waren aus dunklem Holz. Meine Mutter weinte. Sie hatte schreckliche Angst – ein blasses, dunkeläugiges Geschöpf, ernst und zitternd. Ich trank von ihr, und ich hatte sie in meiner Gewalt, denn ich war größer als sie und stärker, und ich hielt sie fest, während ich die Milch aus ihrer Brust saugte.
    Ich wußte, wer sie war und daß ich in ihr gewesen war; ich wußte auch, daß ihr Leben in Gefahr war: Wenn meine Monstrosität offenbar würde, würde man sie zweifellos als Hexe bezeichnen und hinrichten. Sie war eine Königin. Königinnen können keine Ungeheuer gebären. Daß der König mich nicht zu Gesicht bekommen hatte, daß die Frauen ihn hinderten, die Kammer zu betreten, das wußte ich auch. Die Frauen hatten genauso viel Angst vor mir wie meine Mutter.
    Ich wollte Liebe von meiner Mutter. Ich wollte ihre Milch. Die Männer in der Burg hämmerten an die Türen; sie drohten damit, gewaltsam in die Gemächer der Königin einzudringen, wenn man ihnen nicht sofort sagte, weshalb man sie aussperrte.
    Meine Mutter weinte unaufhörlich und wollte mich nicht anrühren. Sie sprach englisch und erklärte, Gott habe sie verflucht für das, was sie getan habe, Gott habe sie und den König verflucht, und ihre Träume seien zerstört. Ich sei die Vergeltung des Himmels – meine Mißgestalt, meine Größe, die offenkundige Tatsache, daß ich ein Ungeheuer sei. Ein menschliches Wesen könne ich jedenfalls nicht sein.
    Was wußte ich in diesem Augenblick? Daß ich wieder Fleisch war. Daß ich zurückgekehrt war. Daß ich eine scheinbar endlose Reise zu Ende gebracht und wieder in den Hafen zurückgefunden hatte, heil und gesund. Ich war glücklich.
    Das war alles, was ich wußte – und daß ich die Macht übernehmen mußte.
    Ich war es, der die Frauen beruhigte und ihnen offenbarte, daß ich sprechen konnte. Ich sagte, ich hätte jetzt genug Milch getrunken; ich könne jetzt hinausgehen und mir selbst dergleichen suchen. Um meiner Mutter willen, sagte ich, müsse man mich aus der Burg bringen, ohne daß der Rest des Hofes mich sah.
    Natürlich trat entsetztes Schweigen ein, als ich sprechen konnte und einleuchtende Dinge sagte: Ich war nicht bloß ein neugeborener Riese, sondern hatte überdies einen gewitzten Verstand. Meine Mutter erhob sich und starrte mich durch ihre Tränen hindurch an. Sie hob die linke Hand. Ich sah das Mal der Hexe, den sechsten Finger. Ich wußte, daß ich durch sie zurückgekehrt war, weil sie eine mächtige Hexe war, doch zugleich war sie unschuldig wie alle Mütter. Ich wußte, ich mußte diesen Ort verlassen und das Glen suchen.
    Meine Vision von diesem Glen war ohne Konturen, ohne Farben, ohne Kontraste, ein Konzept, das einem Echo gleichkam. Ich hielt nicht inne, um mich zu fragen: »Welches Glen?« Dazu war es viel zu gefährlich in diesem Schloß. Wenn die Vision noch etwas enthielt, dann war es ein Kreis von Steinen, und darin ein Kreis von Personen, und dahinter noch ein Kreis von Personen, und dahinter noch einer und noch einer, und alle drehten sich, Kreise in Kreisen, und Gesang stieg davon auf.
    Das alles war flüchtig.
    Ich sagte zu meiner Mutter, ich sei aus dem Glen gekommen und müsse dorthin zurück. Sie richtete sich nochmals auf, stemmte sich auf den Armen hoch und wisperte den Namen meines Vaters: Douglas von Donnelaith. Sie trug den Frauen auf, Douglas zu finden; er war zur Zeit bei Hofe, und sie müßten ihn auf irgendeinem Wege unverzüglich zu ihr bringen. Sie sagte etwas, das ich nicht begriff – es ging darum, daß Hexe sich mit Hexe gepaart habe, und daß ihr mit Douglas ein schrecklicher Fehler unterlaufen sei. Indem sie versucht habe, dem König einen Erben zu schenken, habe sie den tragischen Irrtum einer Hexe begangen.
    Dann versank sie wieder in halber Bewußtlosigkeit.
    Eine Nachricht wurde durch ein kleines Fenster neben der Tür in einen geheimen Gang hinausgegeben. Jetzt war es die Hebamme, die die anderen Frauen beruhigte und den Männern durch die Tür endlich die tragische Kunde übermittelte: Das Kind der Königin war totgeboren.
    Totgeboren! Ich fing an zu lachen, ein leises Lachen, das mir großes Wohlbehagen schenkte, wunderbar wie das Atmen oder der Geschmack von Milch. Aber die Frauen erschraken nur. Ich hätte in Liebe und Freude geboren sein müssen, und das

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