Tanz der Hexen
wußte ich. So war es nicht richtig.
Die Stimmen hinter der Tür antworteten, der König wolle seinen neugeborenen Sohn sehen.
»Bitte schafft mir Kleider herbei«, sagte ich. »Rasch – ich kann nicht nackt und ungeschützt an diesem Ort bleiben!«
Sogleich waren sie froh, daß ihnen jemand sagte, was sie tun sollten. Und durch das nämliche geheime Fenster bei der Tür zum Geheimgang wurde die entsprechende Nachricht hinausgegeben.
Ich war unschlüssig, wie ich mich zu kleiden hätte. Dies waren nicht die Kleider, die ich kannte. Ja, je länger ich die Zofen anschaute, die Hebamme, meine Mutter, desto klarer wurde mir, daß sich die Dinge doch sehr geändert hatten.
Fragt mich nicht: »Seit wann geändert?« Ich wußte es nicht. Im Handumdrehen war ich in feinen grünen Samt gekleidet; die Sachen gehörten übrigens dem größten und schlanksten Diener des Königs. Die Ärmel waren reichbestickt. Ein kleines, ärmelloses Cape war pelzverbrämt. Ich hatte einen Gürtel und ein recht lang geschnittenes Hemd. Die Hose war das Schlimmste, denn meine Beine waren so lang.
Als ich mich im Spiegel sah, dachte ich: Ja! Und ich wußte, daß ich schön war, denn sonst hätten die Frauen noch mehr Angst gehabt.
Mein Haar reichte mir noch nicht bis auf die Schultern, aber das würde es bald tun. Es war braun, und meine Augen waren auch braun, wie die meiner Mutter. Ich setzte den pelzgefütterten Hut auf, den sie mir gaben.
Da fiel die Hebamme auf die Knie. »Das ist der Prinz!« rief sie. »Das ist der Erbe, den der König will!«
Die anderen Frauen schüttelten von Grauen erfüllt den Kopf und versuchten sie zum Schweigen zu bringen; es sei nicht möglich, sagten sie, so etwas. Und meine Mutter drehte den Kopf ins Kissen und weinte um ihre eigene Mutter und um ihre Schwester, um alle diejenigen, die sie liebten, und behauptete, daß niemand zu ihr stehen würde. Und wäre es keine Todsünde in den Augen des Herrn, so möchte sie sich das Leben nehmen.
Wie kann ich nun entkommen? dachte ich. Ich hatte Angst um meine Mutter, und doch haßte ich sie auch, weil sie mich nicht liebte und weil sie mich für ein Ungeheuer hielt. Ich wußte, was ich war. Ich wußte, daß es einen Ort für mich gab und daß ich eine Bestimmung hatte. Ich wußte es. Ich wußte, daß ihre Haltung unehrerbietig und grausam war, aber ich konnte es nicht in Worte fassen. Ich wollte sie nur schützen.
Wir standen im Kerzenschein in der Kammer, ich und diese Frauen, unter der dunklen Holzdecke; die Hebamme faßte sich wieder, und ihr Frohlocken war zu Ende. Das Ungeheuer müsse fortgeschafft und vernichtet werden.
Vernichtet? Immer das alte Lied. Aber diesmal nicht, dachte ich. Ich hatte nicht die Absicht, mich so leicht vernichten zu lassen. Nein. Wir müssen jedesmal mehr lernen, dachte ich. Ich werde mich nicht vernichten lassen.
Und endlich kam mein Vater an die Geheimtür, Douglas von Donnelaith, ein großer, zottiger Mann, einfacher gekleidet, aber immer noch vornehm und pelzgesäumt.
Er war im Schloß gewesen und dem heimlichen Ruf der Königin mit großer Hast gefolgt. Als er in die Wochenstube trat und mich erblickte, machte er ein ratloses Gesicht. Nicht das nackte Grauen der Frauen sah ich bei ihm, sondern etwas anderes, etwas Vitales, eine gewisse Eingenommenheit für mich, beinahe so etwas wie Ehrfurcht. Und er flüsterte: »Ashlar, der immer wiederkommt.«
Ich sah, daß sein Haar und seine Augen braun waren; von ihm hatte ich diese Eigenschaften also ebenso wie von der armen, traurigen Königin. Aber ich war Ashlar! Ich fühlte, wie diese Neuigkeit – und es war eine Neuigkeit – in mich eindrang, als hätte mein Vater mich in die Arme genommen und mit Küssen bedeckt. Ich war glücklich. Und als ich meine Mutter in ihrer Trauer anschaute, da weinte ich.
Ich sagte: »Ja, Vater, aber dies ist kein Ort für mich. Dieser Ort ist feindselig. Wir müssen fort von hier.«
Und ich erkannte, daß ich über das, was ich war oder was er war, nicht mehr wußte als das, was gesagt worden war. Es war ein Wissen ganz seltsamer Art, ein Wissen ohne Geschichte, ein Wissen, das Bestand hatte, aber außerhalb der Zeit existierte.
Er brauchte keine Anweisungen von mir. Auch er hatte entsetzliche Angst, und er wußte, daß wir fliehen mußten. »Für die Königin ist keine Hoffnung mehr«, sagte er leise; er bekreuzigte sich und machte dann auch mir das Zeichen des Kreuzes auf die Stirn. Und schon liefen wir die Wendeltreppe hinunter.
Wenige
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