Tanz der Hexen
sollte.
Sie brachten mich fort, und ich sollte den alten Laird nie wiedersehen. Und nach allem, was ich wußte, würde ich auch das Glen nicht wiedersehen, die Kathedrale und den Priester. Ein kleines Boot erwartete mich, das sich durch den eiskalten Hafen und dann südwärts an der Küste entlang vorankämpfen mußte, bis man mich an Bord eines großen Schiffes brachte. Meine Kammer dort war winzig, und ich war buchstäblich ein Gefangener. Ich trank nur Milch, weil alle anderen Speisen meinen Ekel erregten, und wegen der stürmischen See war mir ständig übel.
Niemand dachte daran, mir Trost zu spenden oder mir zu sagen, warum ich eingesperrt wurde. Ich bekam nichts zu studieren, nichts zu lesen, keinen Rosenkranz. Die bärtigen Männer, die für mich sorgten, schienen Angst vor mir zu haben, und sie waren nicht bereit, irgendeine Frage zu beantworten. Und schließlich versank ich in Stumpfsinn, und ich sang Lieder, die ich mir mit den Wörtern, die ich kannte, zusammenreimte.
Manchmal schien es mir, als machte ich Lieder aus Wörtern, wie man Girlanden aus Blumen macht; ich dachte nur daran, wie hübsch dieses oder jenes Wort doch war. Stundenlang sang ich so. Meine Stimme war tief, und ich mochte ihren Klang. Zufrieden lehnte ich mich zurück, und mit geschlossenen Augen sang ich Variationen der Kirchenlieder, die ich in Donnelaith gehört hatte. Ich hörte nur auf, wenn ich zu mir kam, wenn ich aus dieser Trance gerissen wurde, oder wenn ich einschlief.
Ich erinnere mich nicht, wann ich merkte, daß der Winter entweder zu Ende war oder wir ihn hinter uns gelassen hatten; wir waren vor der Küste Italiens, und wenn ich aus der kleinen, vergitterten Luke spähte, sah ich das Sonnenlicht, das anmutig auf grüne Hügel und Klippen von unglaublicher Schönheit fiel. Endlich legten wir in einer blühenden Stadt an, wie ich sie noch nie gesehen hatte.
Dann widerfuhr mir etwas höchst Bemerkenswertes. Die beiden Männer, die mir immer noch keine Frage beantworten wollten, führten mich vor das Tor eines Klosters und ließen mich dort stehen, nachdem sie die Glocke geläutet hatten.
Ein kleines Paket drückten sie mir noch in die Hand.
Von der Sonne geblendet stand ich da, und dann drehte ich mich um und sah den Mönch, der mir die Pforte geöffnet hatte und mich jetzt von Kopf bis Fuß musterte. Ich trug immer noch meine prächtigen Kleider aus London, aber nach der langen Reise waren sie nun sehr schmutzig, und Bart und Haar waren sehr lang geworden. Ich hatte nichts als das Paket bei mir, und in meiner Verwirrung gab ich es dem Mönch.
Sofort schnürte er es auf, entfernte den leinenen Lappen und das Leder; dann hielt er den Gegenstand hoch, und ich sah, daß es ein großer Pergamentbrief war, vierfach zusammengefaltet.
»Komm herein«, sagte der Mönch freundlich zu mir. Er warf einen Blick auf das entfaltete Pergament. Dann eilte er davon und ließ mich in einem stillen, schönen Innenhof voll goldener Blumen in der warmen Mittagssonne stehen. In der Ferne hörte ich Gesang, den melancholischen, traurigen Klang von Männerstimmen; so hatten auch die Mönche in Donnelaith geklungen. Ich liebte den Gesang. Ich schloß die Augen und atmete ihn ein, und auch den Duft der Blumen.
Dann kamen mehrere Mönche in den Hof heraus. Die in Schottland hatten Weiß getragen, aber die Männer hier waren in rauhe braune Kutten gekleidet und hatten Sandalen an den Füßen. Sie umringten mich und küßten mich auf beide Wangen und umarmten mich.
»Bruder Ashlar!« Sie sprachen mich beinahe einstimmig an, und sie lächelten so warm und liebevoll, daß ich anfing zu weinen.
»Dies wird jetzt dein Leben sein. Hab keine Angst mehr. Du wirst leben und gedeihen in der Liebe des Herrn.«
Ich sah das entfaltete Pergament, das einer von ihnen in der Hand hielt.
»Was steht da?« fragte ich auf englisch.
»Daß du dein Leben Christus geweiht hast. Daß du auf den Spuren unseres Gründers, des Hl. Franziskus, wandeln und ein Priester des Herrn werden willst.«
Es kamen zärtlichere Worte und Umarmungen von diesen Männern. Sie hatten nicht die geringste Angst vor mir, und ich erkannte: Sie wußten nichts von mir. Sie wußten nicht, wie ich zur Welt gekommen war. Und als ich mich betrachtete – meine Hände, meine Beine, mein Haar -, da dachte ich: Von meiner Größe und meinen langen Locken abgesehen, könnte ich leicht einer von ihnen sein.
Das verwunderte mich. Während des Abendessens – und sie speisten mich viel besser
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