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Tanz der Hexen

Tanz der Hexen

Titel: Tanz der Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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als sich selbst – saß ich stumm da. Ich wußte nicht, was ich tun oder sagen sollte. Es war ganz offensichtlich, daß ich diesen Ort verlassen könnte, wenn ich wollte. Ich könnte über die Mauer klettern.
    Aber warum? dachte ich. Ich ging mit ihnen in die Kapelle. Ich stimmte in ihren Gesang ein. Als sie meine Stimme hörten, nickten sie und lächelten und berührten mich beifällig, und bald verlor ich mich im Gesang und starrte wieder auf das Kruzifix, auf eben das selbe Symbol: Christus, ans Kreuz genagelt. Ich sage es nicht so, damit es einfach klingt. Ich sage es, damit ihr es euch vorstellt, wie ich ihn sah, diesen gefolterten Leib, gepeinigt, geschlagen, mit Dornen gekrönt, Blut vergießend.
    Ein großes, alles überwältigendes Glücksgefühl überkam mich. Ich schloß einen Handel mit mir selbst. Bleib eine Weile hier. Morgen kannst du immer noch weglaufen. Aber wenn du wegläufst, dann hast du diesen Ort verloren, dann hast du St. Ashlar verloren.
    Als sie mich an diesem Abend in meine Zelle brachten, sagte ich: »Ihr braucht nicht abzuschließen.«
    Da waren sie überrascht und verwirrt. Sie hätten nicht daran gedacht, mich einzuschließen, sagten sie. Und sie zeigten es mir – es war gar kein Schloß da.
    Ich lag da und blieb aus freien Stücken, ich träumte in der warmen italienischen Nacht, träumte und hörte von Zeit zu Zeit ihren Gesang aus der Kapelle dringen.
    Als sie mir am Morgen sagten, es sei Zeit, nach Assisi aufzubrechen, da antwortete ich, ich sei bereit. Wir würden zu Fuß gehen, sagten sie, denn wir seien Franziskaner; wir seien Gehorsame Brüder, getreu dem Geist des Bruder Franz, und wir würden nicht auf dem Rücken eines Pferdes sitzen.

 
35

Lashers Erzählung wird fortgesetzt
    Als wir Assisi erreichten, hatte ich die Brüder, mit denen ich diese Reise machte, liebgewonnen, und ich hatte auch erkannt, daß sie tatsächlich nur eines über mich wußten, nämlich daß ich Priester werden wollte. Ich war für diese Reise wie sie in eine braune Kutte gekleidet; ich trug Sandalen und um den Leib einen Strick. Ich hatte mir die Haare noch nicht abgeschnitten und trug meine feinen Kleider in einem Bündel bei mir, aber ich sah doch schon fast so aus wie einer von ihnen.
    Während wir am Straßenrand dahinwanderten, erzählten die Priester mir Geschichten vom Hl. Franz von Assisi, dem Begründer ihres Ordens – wie Franz, der Reiche, dem Reichtum abgeschworen hatte und Bettler und Prediger geworden war und sich um die Leprakranken gekümmert hatte, vor denen er eine Todesangst gehabt hatte; so liebevoll war er zu allen Lebewesen gewesen, daß die Vögel des Himmels sich auf seinen Armen niedergelassen hatten und der Wolf bei seiner Berührung ganz zahm geworden war.
    Großartige Bilder entstanden in meinem Geist, während sie redeten. Ich sah das Gesicht des Hl. Franziskus, ein Amalgam vielleicht aus dem strahlenden, grünäugigen Franziskanerpriester in Schottland und ihren eigenen unschuldsvollen Antlitzen; vielleicht auch war es bloß ein Ideal, erfunden von einem Teil meiner selbst, der sich bereits entwickelt hatte und der Bilder und Träume herstellte.
    Was immer es war, ich kannte Franziskus.
    Ich kannte ihn. Ich kannte seine Angst, als sein Vater ihn verfluchte. Ich kannte seine Freude, als er sich Christus schenkte. Ich kannte vor allem seine Liebe, mit der er alle Geschöpfe als seine Brüder und Schwestern anredete, und ich kannte seine Liebe zu den Menschen, die wir ringsum sahen, zu den Bauern Italiens, die auf ihren Feldern arbeiteten, zu den Städtern und den Leuten in den Klöstern und Landhäusern, die uns des Abends freundlich Unterkunft boten.
    Ja, je glücklicher ich wurde, desto mehr fragte ich mich, ob meine Geburt in Britannien nicht überhaupt eine Art Alptraum gewesen war, eine Sache, die gar nicht geschehen sein konnte.
    Ich hatte das Gefühl, zu diesen Franziskanern zu gehören. Ich gehörte zum Hl. Franziskus. Ich war nur am falschen Ort geboren. Und wenn ein Heiliger zu sein bedeutete, daß ich sein mußte wie der Hl. Franziskus, nun, dann war ich überglücklich. All dies kam mir ganz natürlich vor. Und es brachte mir Frieden, als ob ich mich an eine Zeit erinnerte, als alle Lebewesen sanftmütig gewesen waren, bevor sich etwas Schreckliches ereignet hatte.
    Wenn ich stillende Mütter sah, wollte ich ihre Milch. Aber ich wußte, daß es keine Hexenmilch war. Sie war nicht kräftig genug. Sie würde mir nicht helfen. Aber ich war doch erwachsen,

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