Tanz der Hexen
Tabellen und Gr a fiken. »Siehst du das? Das ist ein Stammbaum der Familie Mayfair. Weißt du, was ich herausgefunden habe?«
Kunst und Magie werden am Ende triumphieren, hatte Julien gesagt. Ich weiß es. War der Computer Kunst und Magie? Schon die Art, wie der Monitor im Dunkeln glühte, und der kleine Stimmapparat im Innern, den Mona programmiert hatte, so daß er nun in gespenstisch flachem Ton sagte:
»Guten Morgen, Mona. Hier spricht dein Computer. Vergiß nicht, dir die Zähne zu putzen.« Es war richtig beängstigend zu sehen, wie Monas Zimmer um acht Uhr zum Leben e r wac h te; der Computer redete, die Kaffeemaschine gurgelte und zischte, die Mikrowelle schaltete sich ein und erhitzte die Brötchen mit leisem Piepen, und die CNN Headline News b e gannen im Fernsehen zu plaudern. »Wenn ich aufwache, bin ich gern mit allem verbunden«, sagte Mona. Der Zeitungsju n ge hatte gelernt, das Wall Street Journal auf die Veranda im ersten Stock vor ihr Fenster zu werfen.
Mona, ja, Mona suchen.
Um Mona zu finden, kam sie jetzt zur Chestnut Street.
Im Garden District war es totenstill. Es war wirklich, als ob hier niemand wohnte. Der Lärm auf der Avenue war so viel besser. An der Avenue war man nie allein; sogar spät nachts strahlten die Scheinwerfer zum Fenster herein und warfen ihren fröhlich gelben Glanz in die Spiegel.
Sie ging weiter und immer weiter. Aber auch hier hatten sie die alten Häuser zerstört, ein paar wenigstens. Es stimmte wah r scheinlich, was Mona bemerkt hatte, was immer es gewesen war; es hatte etwas mit Architektur zu tun gehabt. Ein atemb e raubender Mangel an Vision. Ein greller Kontrast zwischen Wissenschaft und Imagination. »Ein Mißverständnis«, hatte Mona gesagt, »in bezug auf das Verhältnis von Form und Funktion.« Manche Formen sind erfolgreich, andere scheitern. Alles ist Form. Das hatte Mona gesagt. Mona hätte Julien geliebt.
Sie war jetzt an der Third Street. Halb geschafft. Es war nichts dabei, diese kleinen Straßen zu überqueren. Hier war überhaupt kein Verkehr. Es war noch niemand wach. Sie ging we i ter und fühlte sich sicher auf dem Asphalt, der in der Sonne glänzte, frei von bösartigen Rissen oder Spalten, die ihr Fallen stellten.
Julien, warum kommst du nicht zurück? Warum hilfst du mir nicht? Warum mußt du immer mit mir spielen? Gütiger Gott, Julien. Ich kann das Victrola jetzt in der Bibliothek spielen la s sen. Es ist keiner da, der mich daran hindern könnte, bloß M i chael Curry, dieser reizende Mann, und Mona. Ich kann das Victrola spielen lassen und deinen Namen sagen.
Ah, was für ein herrlicher Duft, der blühende Liguster. Den hatte sie ganz vergessen. Und da war das Haus – mein Gott, sieh dir die Farbe an. Sie hatte nie bemerkt, daß es irgendeine besondere Farbe hatte, und jetzt war es von oben bis unten leuchtend grau-violett, die Läden waren grün gestrichen, und der Zaun hob sich sehr schwarz davon ab.
Oh, es war wirklich restauriert worden! Und wie gut hatte M i chael Curry seine Sache gemacht.
Und da, da oben auf der Veranda, stand er und schaute auf sie herab. Michael Curry. Ja, das war der Mann.
Er war im Pyjama, sehr zerknautscht; sein Bademantel war offen, und er rauchte eine Zigarette. Wie Spencer Tracy sah er aus, klobig und irisch und rauh; nur sein Haar war schwarz. Ein netter, gutaussehender Mann mit dichtem schwarzem Haar. Und waren seine Augen nicht blau? Jedenfalls sah es so aus.
»Hallo, Michael Curry«, sagte sie. »Ich wollte Sie besuchen. Und ich will mit Mona Mayfair sprechen.«
Gütiger Gott, das war ein Schock für ihn. Wie erschrocken er aussah. Aber sie rief mit lauter und klarer Stimme: »Ich weiß, daß Mona da drinnen ist. Sagen Sie ihr, sie soll herauskommen.«
Und dann war da das schlaftrunkene Mädchen im weißen Nachthemd, zerzaust und gähnend wie ein kleines Kind, das niemand zur Verantwortung ziehen kann.
Oben zwischen den Baumwipfeln standen sie hinter dem schwarzen Geländer, und plötzlich begriff sie, was passiert war und wo sie zusammen gewesen waren. Oh, gütiger Gott – und Gifford hatte sie davor gewarnt: Mona sei »auf dem b e sten Wege«, sozusagen, und man müsse sie im Auge beha l ten. Das Kind hatte überhaupt nicht nach dem Victrola gesucht, sie hatte nach einem Irish Boy gesucht, nach Rowan Mayfairs Ehemann: nach Michael Curry.
Die uralte Evelyn empfand das köstliche Verlangen, zu lachen und zu lachen.
Wie hätte Stella gesagt? »Was für ein Knaller!«
Aber die uralte
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