Tanz der Kakerlaken
anzulegen.
»Bruder Sizemore«, sagte er zu einem seiner Diakone, »ich schlage vor, Sie huschen schnell mal das Kaminsims drüben im Schlafzimmer der Frau rauf und sehen zu, ob Sie nicht rausfinden können, woher der Geruch von all den guten Sachen kommt.« Chid überlegte, daß er eine bessere Anrede für den alten Leroy Sizemore als »Bruder« würde finden müssen, denn ohne Religion waren sie auch keine Brüder und Schwestern mehr.
Leroy Sizemore erklomm das Kaminsims, wedelte mit seinen Schnüffelruten in alle Richtungen und steuerte dann auf die Quelle des Geruchs der Leckereien zu. Als er sich der Uhr näherte, grüßte sie ihn laut mit dem Ausruf »NOUGAT!«, und er stürzte auf genau dieselbe Weise wie Chid in der Nacht zuvor von dem Sims hinunter auf den Boden. Nachdem er sich aufgerappelt hatte, meinte er belemmert: »Hab's Gleichgewicht verloren«, und dann sagte er: »Allerdings, da oben in dieser Maschine gibt's einen Haufen eßbares Zeugs.«
Sie warteten, bis die Maschine ihre neun Schläge von sich gegeben hatte, dann schickte Chid die Brüder Ledbetter und Stapleton zu weiteren Nachforschungen los, und sie kehrten zurück, die Münder und Fühler voll mit allerlei exotischen Köstlichkeiten.
»Halt!« rief Tish zornig. »Das ist Sams Mousse au chocolat!« Und sie versuchte, Bruder Stapleton das, was er im Mund hatte, zu entreißen. »Und das da ist Sams beste Rumkugel!« empörte sie sich. Jede Knackerlake, die von einem anderen Insekt beim Essen gestört wird, schluckt schleunigst alles hinunter, was sie im Mund hat, und Bruder Ledbetter wäre beinahe daran erstickt, seine Beute in Sicherheit zu bringen. »O nein!« rief Tish. »Sie haben Sams Karameltrüffel aufgegessen!«
Chid fragte sich, warum sich das Mädchen so aufregte, aber bevor er sich danach erkundigen konnte, ergriff sein Sohn das Wort. »Tish!« rief Archy aus. »Woher weißt du so gut über Sams Vorräte Bescheid?« Die Frage schien dem Mädchen abrupt klarzumachen, daß sie ein Geheimnis preisgegeben hatte; sie ließ den Kopf hängen und konnte nicht antworten. »Bist du schon mal oben in der Uhr gewesen?« wollte Archy wissen. Sie schwieg weiter, nickte aber schwach.
»Wann?!« fragte er, aber sie wollte nichts sagen. »Vielleicht«, sagte er, »sollten wir beide uns mal ein bißchen unterhalten.« Er nahm sie bei einem ihrer Krabbler und sagte: »Entschuldigt uns, Leute.« Dann führte er sie fort in ein anderes Zimmer.
»Das also«, bemerkte Chid mit einem Blick hinauf, »ist Junker Sams berühmte Uhr?«
»Jau, und sie is bis oben voll mit Leckereien!« erklärte Bruder Stapleton.
»Nun, ich glaube, wir können das Hochzeitsmahl auch ohne das Brautpaar beginnen«, erklärte Chid. »Gene und Stan« – denn er hatte beschlossen, Stapleton und Ledbetter von nun an so zu nennen – »ihr beide flitzt nochmal rauf, holt alles Essen raus und werft es vom Kaminsims, und wir stapeln es gleich hier unten auf.«
Bald darauf hatte sich auf dem Boden unter dem Kaminsims ein ansehnlicher kleiner Haufen erlesener Happen gebildet, und Chid machte sich daran, von allem zu probieren, natürlich nicht ohne seine guten Manieren zu zeigen und auch Josie von allem eine Kostprobe anzubieten.
»Ei, ei«, kommentierte Josie mit vollem Mund. »Ist es denn? Wenn das nicht die. Da bin ich wirklich. Wie delikat! Gelobt sei! Mmmmmm. Welch Köstlichkeit. Oh, Himmelreich.«
Chid war ein wenig in Sorge, daß die Verlagerung des Speiselagers aus der Uhr auf den Boden des Schlafzimmers der Frau das Risiko erhöhen könnte, daß die Frau bei ihrer Rückkehr alles wegfegen würde. Aber er verbannte den Gedanken aus mehreren Gründen: Erstens sah es nicht so aus, als hätte die Frau vor, heute nacht noch zurückzukommen; zweitens würde die Hochzeitsgesellschaft den ganzen Haufen wahrscheinlich bis zum Morgengrauen verzehrt haben; und drittens war ihm überhaupt nicht bange vor der Frau. Die jagte ihm kein bißchen Angst ein. Als reine Vorsichtsmaßnahme sagte er jedoch zu Bruder Sizemore: »Leroy, iß dich satt und dann geh raus auf die Veranda und halt die Augen offen für den Fall, daß die Frau zurückkommt.« Leroy schlang gierig seinen Anteil hinunter und tat, wie ihm geheißen.
Die anderen machten sich daran, mit aller Ruhe und Ausdauer zu schmausen, und rückten dem Hochzeitsmahl beherzt zu Leibe. Archy und Tish sollten besser bald zurückkommen, kicherte Chid in sich hinein, sonst würden sie kein Fitzelchen mehr vorfinden! Chid war
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