Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tanz der Kakerlaken

Tanz der Kakerlaken

Titel: Tanz der Kakerlaken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald Harrington
Vom Netzwerk:
Sprache zu verstehen, mit der sich die Pflanzen der Nacht allein durch ihren Duft verständigten. Um die Sprache der Pflanzen zu studieren, brauchte er keine Schwanzreifen. Aber der Gedanke an Schwanzreifen brachte ihn auf einen Gedanken, den er unter allen Umständen hatte vermeiden wollen, daher seine Meditation über Sterne und Unkraut: den Gedanken an Tish und ihre Fähigkeit, auf sanfte, stille Weise in Zeichen mit ihm zu reden. Es gab jetzt nur noch zwei Personen, die er »hören« konnte: Hämmann mit seinem dröhnenden Brummbaß und Tish mit ihren zarten Gesten. Wie konnte er hoffen, seine Pflichten als Junker von Stay More zu erfüllen, wenn er sein Volk nicht hören konnte? Selbst mit Hämmanns Hilfe, mit Tishs Hilfe noch dazu, konnte er die Leute in seiner Umgebung nicht verstehen…oder ihnen geistlichen Beistand leisten, und ihm wurde klar, daß jetzt, da Chid Tichborne vom Glauben abgefallen war, er ihn ersetzen müßte, nicht als Verkünder der chrustlichen Religion, sondern als Seelsorger einer seelisch verwirrten Bevölkerung. Und wenn nicht als Seelsorger, dann vielleicht als eine Art Schulmeister …
    Sein Blick fiel auf den kleinen Turm des Schulhauses in der Ferne. Unwillkürlich fand Sam sich mitten auf der Roamin Road wieder, wo jetzt zwei Richtungen möglich waren, also eine Wahlmöglichkeit bestand: die Richtung nach Norden zum Parthenon einzuschlagen, um seine Uhr und sein Mädchen zurückzuerobern, oder nach Süden zum Schulhaus zu gehen, um sein Gehör wiederzuerlangen. Wenn er sich für letzteres entschied, würde er vor Morgengrauen nicht zurück sein. Und er hatte keine Garantie, daß die Expedition erfolgreich verlaufen würde, hatte nicht viel Vertrauen in die Wirksamkeit des Heilmittels.
    Er konnte sich nicht entscheiden. Während er bewegungslos auf der Roamin Road stand, den Blick erst nach Norden wandte und sehnsuchtsvoll das Dach des Parthenon anschaute, sich dann nach Süden wandte und versuchte, den Glockenturm des alten Schulhauses auszumachen, kam eine andere Knackerlake näher, und seine Schnüffelruten sagten ihm, daß es sein Vater war. »Krümchen, Dad«, sagte er.
    Sein Vater sagte etwas, was er nicht hören konnte; er nahm an, daß es sich einfach um eine Erwiderung seines Grußes handelte. Aber dann fing sein Vater zu reden an, und Sam erkannte am Mienenspiel seines Vaters und an den Gesten seiner Schnüffelruten, daß er nicht bloß Konversation machte; er sprach ernsthaft zu seinem Sohn. Vergeblich strengte Sam seine Schwanzreifen an.
    Der Tonfall deutete an, daß sein Vater ihm jetzt eine Frage stellte, und Sam mußte ihn erinnern: »Dad, du weißt doch, daß ich nicht sehr gut höre.«
    Sein Vater wirkte irritiert, und dann beging er einen Fehler, den viele Leute mit normalem Gehör Schwerhörigen gegenüber machen: Er sprach jedes Wort langsam, tonlos, in einem künstlichen Rhythmus aus, so daß Sam unmöglich aus den Lauten einen zusammenhängenden Satz rekonstruieren konnte. »Wie«, glaubte er seinen Vater sagen zu hören, dann schien das Wort »kommt's« zu folgen, »daß« wurde unvollkommen ausgesprochen, »sie« schien das nächste Wort zu sein, gefolgt von der steigenden Betonung eines Fragezeichens nach dem Wort »daß«.
    »Tut mir leid, Dad, ich verstehe einfach nicht, was du sagen willst«, erklärte Sam.
    Die Miene seines Vaters wurde widerwillig, und dann versuchte er sich an einer unbeholfenen eigenen Zeichensprache: Junker Hank zeigte auf sich selbst, er zeigte auf die Straße, er zeigte Richtung Parthenon, er machte Laufbewegungen, und er sagte zwei Wörter, die Sam deutlich hören konnte: »nach Hause«.
    Sam konnte daraus folgern, daß sein Vater seine Absicht, in den Parthenon zurückzukehren, kundtat. Die Entscheidung, die zu fällen Sam solche Schwierigkeiten bereitete, wurde ihm abgenommen: Er würde seinen Vater begleiten müssen, um ihm gegen Chid und die Diakone zu helfen. Aber Sam mußte auch mit seinem eigenen Widerwillen fertig werden, nicht mit dem Widerwillen gegen eine Rauferei mit Chid, sondern dagegen, womöglich feststellen zu müssen, daß Archy Tish einen Heiratsantrag gemacht hatte. Ihm wurde klar, daß er Tish erst wiedersehen wollte, wenn sie sich, falls sie es denn wollte, von Archy getrennt hatte und zu ihm zurückkehrte.
    Sein Vater gab noch eine weitere unverständliche Bemerkung von sich und wandte sich dann zum Gehen. »Ich gehe mit dir, Dad«, bot Sam an und ging neben ihm her. Aber sein Vater blieb stehen,

Weitere Kostenlose Bücher