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Tanz der Kakerlaken

Tanz der Kakerlaken

Titel: Tanz der Kakerlaken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald Harrington
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Vernichtendste aber bewahrte er sich für den Schluß seiner Rede auf:
    »Und wen haben wir hier?« wetterte er und stieß dem sündigen Jungen unters Kinn, ging der Länge nach um das vereinigte Paar herum, um auch dem Mädchen einen Tritt zu versetzen. »Hoch mit euren Köpfen!« herrschte er sie an. »Zeigt eure Gesichter, damit die ganze Welt und der Mann sehen kann, wer ihr seid!« Er trat sie wieder, und langsam schlugen der Junge und das Mädchen die Augen auf, sahen jammervoll die versammelte Schar an, die diesen Beweis ihrer Identität jedoch gar nicht brauchte, da alle die beiden längst mit zitternden Schnüffelruten am Geruch erkannt hatten. Der Junge war eindeutig Isham Whitter, ein Carlotter, und das Mädchen war ebenso offensichtlich Lucy Whitter, seine Schwester.
    »IN-ZEST!« brüllte Bruder Tichborne. »Der bei seiner eigenen Schwester liegt, soll verdammt sein zu ewiger Schande! Die mit ihrem eigenen Bruder liegt, soll Ungeheuer gebären! Beide sollen verdammt sein! Keine Sünde ist mehr am schlimmsten in den Augen des Mannes!« Bruder Tichborne fing an, über seine eigene Sprache zu stolpern. »Der insektuöse Inzest – das inzestizide Insekt ist der allerniederste, feigste, verdammungswürdigste Sünder der Welt!« Und er versetzte dem Pärchen erneut einen Tritt.
    Der Pfarrer hätte noch die ganze Nacht über Ish und Lucy Whitter zetern können, aber siehe! – plötzlich fiel ein grelles Licht von der Rückseite des Heiligen Hauses auf die Szenerie, und da stand die drohende Silhouette des Mannes!
    Wenn die Versammlung nicht schon durch Bruder Tichborne in Bann geschlagen war, so ließ die Erscheinung des Mannes sie vollends erstarren, und alle duckten sich, so tief sie konnten.
    Als Er sich bewegte, fanden sie ihre Krabbler wieder und huschten in alle Richtungen auseinander, bis sie Seinen Augen verborgen waren, entweder unter dem Tanzboden oder im tiefsten Wald aus Gras und Unkraut.
    Allein Bruder Tichborne, oder eher allein Bruder Tichborne und das sündige inzestuöse Pärchen, das sich noch immer nicht auseinanderhakeln konnte, vielmehr versuchte, in entgegengesetzte Richtungen zu fliehen, und damit den Versuch des anderen jeweils zunichte machte, blieben auf dem Tanzboden zurück. Der Pfarrer beugte in innigster Andacht und Ergebenheit die Knie.
    Eintausend – oder nein, zweitausend, denn jeder hat zwei davon – Schnüffelruten und viertausend Augen beobachteten ängstlich, wie der Mann die Hintertreppe des Heiligen Hauses herunterstolperte und auf Carlott zugetorkelt kam. Er hatte Seinen schrecklichen schnellen Revolver nicht bei sich. Seine Hände waren leer, frei schwangen sie durch die Luft, griffen mitten hinein, um Sein Gleichgewicht zu halten und sich Seinen Weg in die Dunkelheit zu bahnen.
    Als Er sich dem Tanzboden näherte, hob Bruder Tichborne den Kopf und faltete in demütiger Bitte die Fühler und Vorderkrabbler. »Herr, wenn es Dein Wille ist«, betete er, »dann piß auf mich nieder!«
    Aber der Mann erreichte den Tanzboden gar nicht. Er blieb stehen und streckte Seine großen Hände gen Himmel. »SHARON!« schrie Er mit ohrenbetäubender Lautstärke, und zweitausend Schwanzreifen drehten sich von der Lärmquelle ab. Noch lauter schrie Er wieder: »SHAY-RONNNN!«
    Dann fiel er vornüber ins Gras von Carlott, wo Er scheinbar reglos für den Rest der Nacht liegenblieb.
    Bruder Tichborne verkündete: »Der Herr schläft. Lasset uns beten.« Er stimmte ein lustloses Gebet an und machte dann ein paar routinemäßige Ankündigungen: Die Gemeinschaft Chrustlicher Junger Leute wollte am Samstag ein ganznächtliches Choralsingen abhalten. Und bei der Gebetsversammlung und Andacht am nächsten Sonntag abend, die zum erstenmal auch den Carlottern offenstand und für die das Heilige Haus betreten werden durfte, sollte ein besonderer Ruf nach Entrückung abgehalten werden, direkt vor den Augen des Herrn. Jeder herzlich willkommen!
    »Das glaub ich erst, wenn ich es mit eigenen Augen sehe«, sagte eine Stimme neben Tish, und als sie sich umwandte, sah sie, daß die Knackerlake, die so direkt neben ihr stand, daß sich ihre Körper berührten, Archy Tichborne war. Er bemerkte sie zum erstenmal in seinem Leben, schenkte ihr ein schönes Lächeln, aber sie war viel zu schüchtern, um es zu erwidern.
     
    5.
    Wenn Greg Sam Ingledews Schwanzreifen nicht schon vor langer Zeit durch das ständige Läuten seiner Uhr taub geworden wären, hätte er vielleicht gehört, daß der Mann zweimal den

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