Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tanz der Kakerlaken

Tanz der Kakerlaken

Titel: Tanz der Kakerlaken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald Harrington
Vom Netzwerk:
aufrecht stehen, denn obwohl seine Schwanzreifen nicht länger Geräusche absorbieren konnten, waren sie immer noch zur vollen Erektion imstande. Er konnte sie, falls nötig, auch dafür benutzen, rückwärts seinen Weg zu ertasten, als umgedrehte Schnüffelruten sozusagen.
    Woher weiß eine sorgfältige, auf gepflegtes Erscheinen bedachte Knackerlake, wann ihre nächtliche (oder dreimal nächtliche) Reinigungsprozedur beendet ist? Von den 178 Segmenten auf jeder Schnüffelrute haben die letzten beiden, die ganz vorn an der Spitze sitzen, nur die Funktion, die eigene Sauberkeit, Gepflegtheit und Duftnote zu beurteilen. Sam würde, wie jede andere Knackerlake auch, lieber seine beiden Schwanzreifen hergeben und stocktaub sein, als auf die Spitzen seiner Schnüffelruten verzichten. Wann immer ein Geschöpf sie verliert, sei es durch einen Unfall, Kampf oder weil es sie nicht sauber halten kann, wird dieses Individuum mit ziemlicher Sicherheit schmutzig, stinkend und zerrupft herumlaufen … bis ihm neue Spitzen nachgewachsen sind.
    Im Widerspruch zu des Menschen Verachtung ist die Knackerlake das reinlichste aller Insekten und duldet keinen Schmutzfleck und keine Krankheit auf seinem Körper. Und Gregor Samsa Ingledew war die reinlichste unter den Knackerlaken, nicht nur was seine Person anging. Er hielt auch das Innere und das meiste des Äußeren der Uhr makellos rein. Die Frau, selbst eine pingelige Hausfrau, wäre stolz auf Sam gewesen, wenn Sie von seiner Existenz gewußt hätte. Was nicht der Fall war. Fragte Sie sich denn nie, wenn Sie Ihr Schlafzimmer abstaubte, weshalb die Uhr und das Kaminsims nie gewischt zu werden brauchten?
    Sam kletterte an der Kamineinfassung herab zu Boden. Er war im Begriff, sich näher an ein weibliches Wesen zu wagen als je zuvor in seinem Leben, abgesehen von seiner Mutter. Sam hatte, trotz seiner vorbildlich gepflegten Erscheinung, seiner Intelligenz, seiner vornehmen Abkunft und seiner Wohnsituation, die ihn zum attraktivsten und begehrtesten Junggesellen von Stay More machten, einen ererbten Makel, der von größerem Nachteil war als seine Taubheit: Seine Schüchternheit Frauen gegenüber war ungeheuer und übertrieben. Seit Knackerlakengedenken waren alle Ingledews so gewesen. Es war eine Familienlegende, oder nein, ein alter Familienwitz: So wie von jedem männlichen Ingledew irgendwelche überragenden Heldentaten überliefert waren, so war auch jeder zur Zielscheibe einer vergnüglichen Anekdote über seine Schüchternheit gegenüber Frauen geworden und über die außergewöhnlichen Umstände und weiblichen Listen, die nötig gewesen waren, damit wenigstens ein Ingledew jeder Generation heiratete und den Familiennamen fortpflanzte … ebenso wie die angeborene Angst vor Frauen.
    Doch seine fürchterliche Schüchternheit gegenüber dem anderen Geschlecht konnte Sam jetzt nicht davon abhalten, sich Sharon zu nähern, weil er nicht vorhatte, sich Ihr zu zeigen. Sie war ohnehin in Ihr Gespräch über den schwarzen Sprechapparat vertieft. Er wählte die beste Strecke aus, auf der er Ihrer Stimme so nah wie möglich käme, ohne gesehen zu werden, und kletterte die Rückenlehne des großen Sessels hinauf, eine leichte Übung, die darin bestand, Krabbler vor Krabbler auf den rauhen Stoff zu setzen. Oben angekommen, krabbelte er die andere Seite direkt hinter Ihrem Kopf hinab. Behutsam achtete er darauf, Ihr Haar nicht zu berühren, und ebenso sorgfältig behielt er einen Fluchtweg im Auge, um verschwinden zu können in dem unwahrscheinlichen Fall, daß Sie Ihren Kopf in seine Richtung wandte.
    Aus dieser Nähe war Ihre Stimme beinah dröhnend laut, obwohl Sie leise sprach. Er konnte, wenn auch nicht jedes Wort, so doch wenigstens einiges verstehen.
    »… und er tut mir so leid, aber ich wüßte nicht, was um alles in der Welt ich oder sonst jemand für ihn tun könnte …«, sagte Sie gerade. Sie sprach, so nahm Sam an, mit Ihrer Großmutter. Er hatte damit gerechnet, daß Sie vielleicht den Mann selbst anrufen würde, aber im Heiligen Haus gab es keinen Sprechapparat. Sam stellte überrascht fest, wie froh er war, daß Sie nicht mit Larry sprach, denn das hätte ihn eifersüchtig gemacht. Eifersüchtig? sagte er verwundert zu sich selbst. Ich bin eifersüchtig auf den Mann? Na ja, warum nicht?
    »… wenn er doch einfach aufgeben und weggehen würde«, sagte Sie jetzt. »Vernon hat angeboten, ihn vor die Tür zu setzen, wann immer ich will. Vernon ist echt wütend, weil er das Haus

Weitere Kostenlose Bücher