Tanz der Kakerlaken
Knackerlakenjungen, so daß er bei Tage lange genug im Osten bleiben konnte, um zu entscheiden, ob er lieber ein Taginsekt oder doch lieber weiterhin ein Nachtinsekt sein wollte, wie der Mann es für ihn vorgesehen hatte.
Die Welt war wunderschön im Tageslicht. Sie war nicht nur voller Männer, Frauen und Kinder, die alle im Sonnenschein umherliefen und arbeiteten und spielten, sie war auch voll aufgeblühter Blumen, die sich bei Nacht schließen, und voll Musik von Vögeln, die nur am Tag singen, zwar nicht so lieblich wie die Nachtigall, aber dafür in größerer Zahl, und überall waren Farben, nicht bloß die hundert Grau- und Blautöne der Nacht, sondern Gelb und Grün und Rot!
Der Knackerlakenjunge fand alles wunderschön, doch die Mackerlake sagte ihm, er müsse sich, wenn er ein Taginsekt bleiben wolle, entscheiden, ob er eines werden wolle, das Gras frißt, oder eines, das andere Insekten frißt: ein Pflanzenfresser oder ein Fleischfresser.
Natürlich hatte keine Knackerlake bisher jemals Gras oder ein anderes Insekt gegessen, wenigstens kein lebendes. Die Mackerlake ließ ihn von beidem ein wenig probieren. Der Knackerlakenjunge kaute und kaute auf dem Grashalm herum, aber er bekam ihn nicht herunter und spuckte ihn aus. Da gab ihm die Mackerlake den Kopf einer Fliege zu essen, und er kaute und kaute und schluckte ihn hinunter, aber ihm wurde übel davon, und er erbrach ihn wieder.
Die Mackerlake sagte dem Knackerlakenjungen, wenn er lernen könne, Gras zu essen, dann könnte er ein Grashüpfer werden und den lieben langen Tag auf den Wiesen und Weiden singen und tanzen, einen ganzen Sommer lang ein glückliches Leben führen. Er könnte weit springen und mit leuchtendgelben Flügeln fliegen, und es würde ein unbeschwertes idyllisches Dasein werden.
Wenn der Knackerlakenjunge dagegen lernen würde, andere Insekten zu essen, dann könnte er eine Mannesanbeterin werden, eine Mantis religiosa, mit langen kräftigen Vorderbeinen, die jedes kleine Ding packten, das ihnen in den Weg geflogen kam. Er könnte ruhig dasitzen und müßte nicht herumrennen und könnte alles essen, was er fing, jedes Insekt, das flog oder krabbelte, und sogar Eidechsen, Frösche und kleine Vögel! Die Mantis konnte den Grashüpfer essen, aber der Grashüpfer die Mantis nicht.
Tish hielt inne und blickte in die Runde der zweiundvierzig Brüder und Schwestern, die an ihren Lippen hingen, die Münder vor Staunen weit aufgerissen, während es in ihren kleinen Hirnen fast sichtbar arbeitete. »Kinder«, fragte sie, »was würdet ihr sein wollen?«
»Der Grashüpfer!« sagte Jubal, doch er wurde von beinah allen anderen übertönt, die laut riefen: »Die Mantis! Die Mantis! Die Mannesanbeterin!«
Tish hätte ihrer Geschichte einen anderen Schluß gegeben, wenn ihre Geschwister für den Grashüpfer gestimmt hätten. Sie hätte ihnen erzählt, wie der Knackerlakenjunge in einen Grashüpfer verwandelt wurde und ein wahrhaft idyllisches Leben führen durfte, das jedoch ein jähes Ende fand, als er von einer Feldlerche verspeist wurde.
Aber weil sie sich für die Mantis entschieden hatten, sagte sie: »Na schön. Die Mackerlake verwandelte die Knackerlake also in eine Mannesanbeterin, aber dann befahl sie ihr, sie selbst anzubeten, sprang auf ihren Rücken und sagte: »Hopp, hopp! Du sollst mein Pferdchen sein!« und die arme Mantis mußte von nun an für alle Zeiten die Mackerlake überallhin tragen. Deshalb nennt der Mann die Mantis auch ›Teufelspferd‹.«
Die Kinder waren ganz niedergeschlagen vor Enttäuschung über das Schicksal der Mantis, aber, dessen war sich Tish sicher, während sie sie ins Bett schickte: Sie würden es sich zweimal überlegen, bevor sie jemals in irgend etwas verwandelt werden wollten.
Tish selbst, hätte sie wählen können, wäre ein Cecrophiafalter geworden und ein Nachtgeschöpf geblieben. Der Cecrophiafalter hatte eine Flügelspannweite von fast achtzehn Zentimetern und war das schönste Insekt, das Tish je gesehen hatte. Aber sie würde warten, bis die Kinder älter waren, bevor sie ihnen die Geschichte des Cecrophiafalters erzählte. Das Beste an diesem Falter war, daß er, einmal ausgewachsen, nicht mehr zu wählen brauchte, ob er vegetarisch leben oder ein Raubtier werden wollte. Der ausgewachsene Cecrophiafalter aß gar nichts. Sein einziger Daseinszweck war die Liebe.
Zweites Stadium : Keine Jungfrau mehr
8.
Sam wartete im Unkraut neben der Veranda von Doc Swains Klinik, daß sich
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