Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tanz der Kakerlaken

Tanz der Kakerlaken

Titel: Tanz der Kakerlaken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald Harrington
Vom Netzwerk:
hinzukam, eine Formalität: »Und nimm dich in acht vor Mardern, Milben und mordlustigen Mäusen!«
    »Paß bloß auf dich auf, Mama«, sagte Tish, als Josie den Klotz verließ und Tish sich allein verantwortlich sah für die ganze Familie. Ein gutes Dutzend ihrer Geschwister krabbelte zu ihr heran und bettelte um eine Geschichte, aber sie schickte sie fort und vertröstete sie auf eine Gutenachtgeschichte. Sie beaufsichtigte sie, so gut sie es vermochte, als sie den Klotz verließen, um nach Stückchen von Algen und Schwämmen zu suchen, einer eßbaren aber nicht sehr schmackhaften Nahrung. Mit ihren Schwanzreifen hörte Tish das Geräusch ihrer Mägen, die wie eine Horde hungriger Ameisen knurrten. Fast abwesend langte Tish nach oben und nahm ihre Schnüffelruten in den Mund, fing an, sie gleichzeitig zu waschen, zu schmecken, zu beriechen und »die Perlen darauf zu zählen«. Dieses Verfahren versorgte sie mit Informationen über ihre Umgebung: Die Temperatur (23 Grad mit sinkender Tendenz), die Wetteraussichten für morgen (heiter bis wolkig, vereinzelt Gewitter), den augenblicklichen Aufenthaltsort eines jeden ihrer Brüder und Schwestern, was sie gerade aßen, welcher von ihnen Verdauungsbeschwerden oder mentale Probleme hatte, wer Verstopfung oder Durchfall, und wie viele Würmer, Grillen und Heuschrecken in der Nähe waren. Auf diese Weise verfolgte sie alles, was im Laufe der Nacht vor sich ging.
    Ihre Mutter befand sich nicht mehr im Einzugsbereich ihrer Schnüffelruten. Sie hatte also wohl das Heilige Haus erreicht und war vielleicht tatsächlich in die Kochstatt vorgedrungen. Würde sie ihre Eltern je wiedersehen? Sie stellte ihren Empfang auf das Gebiet von Carlott ein, wo Er gelegen hatte, und stellte fest, daß Er immer noch dort lag. Die Nacht nahm ihren Lauf.
    Immer auf ihre Geschwister achtgebend, zählte sie sie durch und stellte fest, daß eines fehlte. Sie rief Jubal zu sich und sagte: »Jubal, ich kann Joe Don nicht finden.«Jubal erwiderte: »Etwas hat ihn gegessen.«
    Dies waren betrübliche Worte. Es war schon eine traurige Nachricht, wenn nach der Verwesterung eines Kindes als Grund angegeben wurde: »Etwas, was er gegessen hat.« Es war noch trauriger, wenn Subjekt und Objekt vertauscht wurden. Tish stellte ihre Schnüffelruten ein und fing den Geruch eines Laubfroschs auf, Hyla cinerea, aber er kletterte bereits auf den Baum zurück, aus dem er heruntergekommen war, um Joe Don zur Mahlzeit zu machen. Tish rief den Rest ihrer Geschwister aus dem Garten herein und erzählte denen, die es noch nicht wußten, daß ihr Bruder Joe Don in den Westen gegangen war, in den Schlund eines Laubfroschs. Jeder trauerte ein paar Minuten lang, und mehrere der älteren Kinder erklärten: »Es ist der Wille des Herrn«, aber Tish wußte, daß der Wille des Herrn, in diesem Augenblick unter dem Einfluß von Alkohol, nicht existierte.
    »Jetzt erzähl uns eine Gutenachtgeschichte, Schwesterchen!« bat Jubal, wohl wissend, daß sie sich von der Verwesterung ihres Bruders Joe Don ablenken mußten, und die Geschwister fielen im Chor ein: »Jau, eine Geschichte, Schwesterchen, eine Geschichte.«
    Sie scharte sie um sich und begann: »Es war einmal …« Sie hatte gelernt, all ihre Geschichten auf diese Art zu beginnen. Ein solcher Anfang erweckte nicht nur die Vorstellung, daß die erzählte Geschichte sich vor langer, langer Zeit wirklich zugetragen hatte, sondern auch die, daß sie nur ein einziges Mal geschehen war, ein einmaliges, einzigartiges Ereignis. Sie ging ihre Sammlung von Lieblingsgeschichten durch und beschloß, ihnen eine über die Mackerlake zu erzählen. »Es war einmal ein kleiner Knackerlakenjunge. Er hörte nicht auf seinen Papi und seine Mama, die ihm sagten, er solle beim ersten kleinen Lichtstrahl zu Bett gehen und den Tag über schlafen. Er wollte wach bleiben und sehen, was alles auf der Welt passierte, während die Knackerlaken schliefen.«
    Und sie erzählte ihnen, wie die dumme kleine Knackerlake bei Tageslicht loszog und sich plötzlich zwischen den Geschöpfen des Tages wiederfand, die bei Licht jagen und essen; Vögel aller Arten, die am Tage fliegen, und Schlangen und Eidechsen, die tagsüber umherstreifen, und vierfüßige Tiere wie Eichhörnchen, die bei Tage umherstreifen. Alle diese Ungeheuer hätten den kleinen Knackerlakenjungen aufgegessen, hätte ihn nicht die Mackerlake beschützt, die ihn einer Prüfung unterziehen wollte.
    Die Mackerlake beschützte den

Weitere Kostenlose Bücher