Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tanz der Kakerlaken

Tanz der Kakerlaken

Titel: Tanz der Kakerlaken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald Harrington
Vom Netzwerk:
sie nicht sehen; ihre Körper waren schon dabei, sich in entgegengesetzte Richtung zu drehen, in eine Position, die sie Ende an Ende in einen Winkel von 180 Grad zusammenführte.
    Die zweite Klammer, die der Stimulation und der Paarung dient, umschloß einen zweiten Bolzen und begann zu kitzeln und wurde zurückgekitzelt. Die dritte Klammer packte den dritten Bolzen.
    Das Sonnenlicht, das grell ins Zimmer und durch das Zifferblatt in die Uhr fiel, blendete sie beide, Klammerer und Umklammerte. Über ihnen spulte sich der alte unaufhörliche Mechanismus des Uhrwerks ab; in ihnen spulte sich die klassische Maschinerie ihres Geschlechtes ab, deren Bewegungsablauf ein nicht minder kompliziertes Zusammenspiel und Wechselspiel von Komponenten, Elementen, Segmenten war. Die Uhr schrie »ROSINENBRÖTCHEN!« und ächzte dann »BONBON!«, bevor Tish und Sam fertig waren. Tish hatte eine einfache Antwort auf eine einfache Frage gewollt: wie Mann und Frau Ihre Babys ruckelten und zuckelten. Für Menschen ist es allerdings ein verhältnismäßig einfacher Vorgang: Individuen von der Art wie Tish und Sam brauchten Stunden – und einen inneren Apparat, der alle Vorstellung übersteigt.
     

Drittes Stadium : Der Umzug
     
    14.
    Als Tish aufwachte, nicht dank irgendeiner inneren biologischen Uhr, sondern von fremdartigen Geräuschen geweckt, war die Abenddämmerung bereits vorbei. Sie brauchte mehr als eine Minute, um sich nicht nur über die Ursache der Geräusche, sondern auch über ihre Umgebung klarzuwerden: Über ihrem Kopf befanden sich nicht die vertrauten morschen Holzfasern aus ihrer Schlafritze im Klotz, ein heimeliger Anblick, der sich ihren Augen zeit ihres Lebens jeden Abend beim Erwachen geboten hatte, sondern statt dessen glatt in Holz gezahnte Rädchen und Zapfen wie eine bizarre Alptraumfantasie vom Innern des Schlundes und Magens irgendeines Tieres, das sie, die mit Cuticula und Schnüffelruten verschluckt worden war, zermalmte. Sie versuchte, einen Aufschrei zu unterdrücken, nur ein gedämpfter Schrei entfuhr ihr. Der tiefe Schlaf ihres Gefährten, der, wie ihr plötzlich einfiel, ohnehin taub war, blieb ungestört. Sie blickte ihn an, schwenkte beide Schnüffelruten über ihn hinweg, um die Intensität seines Schlummergeruchs zu erkunden, und kam zu dem Schluß, daß er tatsächlich weit weg im Land der Träume war. Ein Lächeln lag auf seinem hübschen Mund. Aber die Töne, die er von sich gab! Er schnarchte. Sie hatte ihren seligen Vater schnarchen hören, besonders an Tagen, nachdem er sich zuviel Chism-Tau genehmigt hatte, aber das hier übertraf alles – das Schnarchen von einem Typen, der sich selbst nicht schnarchen hören konnte! Es wäre noch erträglich gewesen, wenn nicht jede seiner zwanzig Tracheen in einer anderen Tonlage geschnarcht hätte, so daß das Ergebnis sie an eine Versammlung von Zikaden erinnerte, die schrill und dissonant drauflostrommelten. Sie zuckte zusammen, nicht bloß wegen der kratzenden und krächzenden Geräusche, sondern weil sie sich plötzlich der Aktivitäten entsann, die den größten Teil ihres Morgens in Anspruch genommen hatten. Sie verspürte ein Ausgefülltsein, in ihrem Abdomen, das … nun, es war recht angenehm, sogar wunderschön, überhaupt nicht mit Bauchschmerzen zu vergleichen, aber sonderbar und irgendwie abschließend, endgültig, als wollte es ihr sagen: Das ist alles, was es damit auf sich hat. Das Gefühl unermeßlicher Befriedigung und Sattheit wurde von einer gewissen Traurigkeit getrübt, einem Gefühl des Verlustes, nicht einfach des Verlustes ihrer Unschuld und Jungfräulichkeit, sondern des Verlustes ihres ganzen früheren Lebens, das auf dieses Ereignis hinausgelaufen war, so, als entdeckte der ausgewachsene Cecropiafalter, der nur für die Liebe bestimmt ist, nach dem Akt, daß die Liebe all seine Mühen und Metamorphosen nicht wert war. Ihre Erwartungen waren nicht völlig enttäuscht worden, bis auf die nagende Erkenntnis, daß das Ganze Folgen in Form von sechzehn Passagieren in einem Osterei haben könnte. Sie leckte sich die Lippen und konnte immer noch schwach das Affy-Dizzy schmecken. War dieser Geschmack das alles wert gewesen?
    Und nun hatte sie von neuem Hunger! Nicht auf mehr Affy-Dizzy, sondern auf richtiges Essen, auf ein Frühstück. Sie erforschte Sams Vorräte, Reihe um Reihe ordentlich gestapelter Krumen jeder denkbaren Provenienz, mehr eine Schatz- denn eine Speisekammer. Ihre Fühler sagten ihr, daß all diese Artikel nicht

Weitere Kostenlose Bücher