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Tanz der Kakerlaken

Tanz der Kakerlaken

Titel: Tanz der Kakerlaken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald Harrington
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betrachtete. Wenn er von Tishs Vorliebe für Hinglerocks gewußt hätte, so hätte er Verständnis dafür gehabt, denn dieses von Grabwespen verlassene Nest diente ihm zu demselben Zweck: ein ruhiger und magischer Ort zum Meditieren, wo man versuchen konnte, die großen Geheimnisse des Lebens zu verstehen. Für Chid war es ein zentrales Geheimnis des Lebens, ob es eine Kraft gab, größer als der Mann oder nicht, irgendeinen Absoluten Lenker und Macher, noch unendlicher und omnipotenter als der Mann, irgendein Ewiges Wesen, das keinen Bourbon oder Kaffee trank, Zigaretten rauchte, umkippte, Pistolen abfeuerte, Liebesbriefe schrieb und urinierte. Diese Höchste Seele stellte sich Chid irgendwo weit über den Dingen vor, irgendwo, wohin der Mann nicht kommen konnte. Und so war das verlassene Grabwespennest unter dem Dach des Heiligen Hauses näher an dieser Ganzheit, der Chid, da er keinen besseren Namen wußte, den Namen gegeben hatte, den er vom Mann Selbst, als er auf seiner Couch lag, unter Schmerzen und Blut, gehört hatte: »O Gott!«
    Chid hatte zuerst nicht glauben wollen, daß der Mann sich selbst hatte anschießen können, daß er nicht nur sterblich, sondern auch verwundbar war und Blut fließen lassen konnte. Und sobald diese Möglichkeit sich in Chids Bewußtsein festgesetzt hatte und sogar die schreckliche Begebenheit der Atomisierung seiner Frau IIa Frances überlagerte, war er geflohen, treppauf, hoch auf den Boden, hinauf in diesen Hafen, diese einsame Zuflucht voll Ruhe und Beschaulichkeit.
    Die Grabwespe (Sceliphron coementarium) ist eine Wespe, die nicht das Papiernest der Poliste oder der Hornisse baut, sondern es aus Lehm herstellt oder in Gegenden wie der von Stay More, wo es wenig Lehm in der Natur gibt, einfach aus Schmutz und Erdstaub, der zu Lehm befeuchtet und zu gelbbraunen Röhrchen zusammengeschichtet wird.
    Dort hinein legt das Weibchen seine Eier, zusammen mit gefangenen und gelähmten Spinnen zur Ernährung der Larven. Grabwespen hatten das Heilige Haus von Spinnen befreit, und obwohl sie nichts dagegen hatten, eine Knackerlake zu verspeisen, so waren sie doch strikt tagaktiv und brachten nur gelegentlich eine Knackerlake um, die sie nach Morgengrauen beim Umherstreunen erwischten. Nachdem ein Nest einer Wespengeneration einmal als Brutstätte gedient hat, wird es nie wieder benutzt, und die Dachsparren des Heiligen Hauses waren mit verlassenen Nestern überkrustet. Chidiock Tichborne konnte problemlos in eins hineinkriechen und sich dort in Behaglichkeit und Sicherheit seinen Gedanken hingeben.
    Um die Wahrheit zu sagen, sein Kummer wegen seiner Ehefrau IIa Frances war nicht so groß wie seine Trauer um die arme Josie Dingletoon, die, wenn auch nur kurz, die wahre Liebe seines Lebens gewesen war, zumindest was die geschlechtliche Harmonie betraf. IIa Frances war schließlich seine eigene Schwester gewesen, obwohl das niemand außer ihnen beiden wußte.
    Ob es dem Mann wirklich etwas ausmachte, daß Chid Inzest begangen hatte? Manchmal bezweifelte Chid das. Sogar Joshua Chrust hatte sich, soweit Chid sich erinnern konnte, nie gegen Inzest ausgesprochen. Warum wetterte Chid dann dagegen? Weil die Knackerlakenbevölkerung von Stay More zu nichts Besserem als Termiten degenerieren würde, wenn sie sich ständig inzestuös vermehrte.
    Nein, dem Mann war es egal, aber es gab eine Gottheit, die größer war als der Mann, irgendeine Kosmische Unwandelbare Macht, Die die ganze Welt weit besser geplant hatte, als der Mann es vermocht hätte, und Die entschieden hatte, daß Inzest schlecht war. Diese Macht war weder durch Pistolenkugeln noch durch Die Bombe zu erschüttern. Diese Macht wollte, daß die Knackerlaken aus dem Heiligen Haus in den Parthenon zogen, wenn es nötig werden sollte, nachdem der kümmerliche Mann verwestert war, oder auch, wenn Er nicht verwesterte und sich statt dessen bei der Frau einquartierte, oder auch, wenn die Frau in das Heilige Haus zog, anstatt Ihn in den Parthenon ziehen zu lassen … oder was auch immer, jedenfalls wollte Die Macht Chid und seine Gefolgsleute eindeutig im Parthenon sehen.
    Doch Bruder Tichborne sollte für alle Eventualitäten gerüstet sein; er mußte seine Möglichkeiten kennen und vorbereitet sein für die Zeit, da er seiner Gemeinde würde raten müssen, mit der Verehrung des Mannes aufzuhören und statt dessen mit der Verehrung der Frau zu beginnen.
    Was ihn selbst anging – was sollte ihn davon abhalten, Die Macht zu verehren, sie Gott

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