Tanz der Sinne
Freiheit feiern. Dann können wir über ein Datum für die Hochzeit nachdenken. Ich persönlich bin für eine Sondergenehmigung und sofortige Heirat. Wäre dir das recht?«
Er wollte, daß sie reagierte, als ob sie es sich genauso wünschte wie er – oder wenigstens überhaupt wünschte. Statt dessen lächelte sie sanft, ohne die Melancholie in ihren Augen verbergen zu können. »Ich bin mit allem einverstanden, was du dir wünschst. Das habe ich dir gestern versprochen.«
Wenn das ein Sieg war, schmeckte er verdächtig nach Niederlage.
Zwischenspiel
Als er gegangen war, war sie so erschöpft, daß sie sich kaum bewegen konnte. Sie fiel in tiefen, traumlosen Schlaf, aus dem sie ruckartig erwachte. Wieviel Zeit war vergangen? Ihr blieb so wenig davon, sie konnte nichts davon vergeuden. Nachdem er seine Befriedigung erlangt hatte, hatte er ihr mit genüßlicher Grausamkeit ihr Schicksal beschrieben. Das nächstemal würde er kommen, um ihr Leben zu fordern.
Aber was konnte sie tun, außer verzweifelt in ihrem luxuriösen Gefängnis auf- und abzulaufen?
Sie hatte schon früher nach einer Waffe gesucht, aber ihr Folterer hatte darauf geachtet, die Räume mit nichts auszustatten, das gefährlich sein konnte. Die schweren Möbel waren am Boden festgeschraubt, ihr Besteck war aus dünnem Blech und Teller und Tasse waren aus Zinn, das sich nicht in scharfe Stücke zerbrechen ließ.
Sie konnte den Riemen von einer der festeren Peitschen nehmen und versuchen, ihren Feind damit zu erwürgen, aber sie bezweifelte, daß sie die Kraft hatte, einen ausgewachsenen Mann zu überwältigen. Und selbst wenn es ihr gelang, würde sie nicht an dem Wächter vorbeikommen, der draußen wartete. Sie würde es versuchen, natürlich, sie würde sich nicht einfach in den Tod fügen, aber sie machte sich keine Illusionen über ihre Erfolgsaussichten.
Ihr Blick fiel auf das widerliche kleine Spielzeug.
Mit plötzlicher Wut hob sie es hoch und schmetterte es zu Boden. Dann zertrat sie die Figuren unter ihren Stiefelabsätzen. Wenn sie doch dasselbe mit ihm machen könnte…
Ihr kam ein Gedanke und sie kniete sich hin, um die Stücke zu untersuchen. Auf dem Fußboden lagen ein paar metallene Zahnräder. Sie nahm das größte und prüfte die scharfen Zähne. Es war aus gehärtetem Stahl. Richtig angewandt würde es Holz durchfeilen.
Sie sah sich sorgfältig in ihren drei Räumen um.
Ah, der Nachttisch. Wenn sie genug Zeit hatte, konnte sie eines der Beine durchsägen. Vielleicht konnte sie es dann aus seiner Verankerung brechen. Wenn nicht, mußte sie das Bein ein paar Zentimeter über dem Boden absägen.
Sie setzte sich im Schneidersitz neben den Tisch und machte sich entschlossen an die Arbeit. Wenn sie fertig” war, würde sie einen Stock haben, mit dem sie ihm den Schädel einschlagen konnte. Das würde nicht ausreichen, um sie zu befreien, aber wenn sie schon sterben mußte, wollte sie ihren Mörder wenigstens mit sich nehmen.
Kapitel 35
Oleo ließ sich Zeit. Als sie endlich die Tür aufmachte, lachte sie, und ihr blondes Haar fiel ihr locker und ungezähmt über die Schultern. Als sie Lucien neben Kit sah, raffte sie hastig ihren grünsamtenen Morgenrock zusammen. »Cassie, meine Liebe, du bist heute aber früh auf«, sagte sie mit einer Stimme, die bis in die hinteren Räume der Wohnung zu hören war. »Ich fürchte, jetzt ist gerade nicht der richtige Zeitpunkt für eine Tasse Tee. Soll ich später auf einen Schwatz herunterkommen?«
Kit sagte: »Wir wollten mit Lord Ives sprechen.
Ist er hier? Wir wissen vielleicht, wo meine Schwester festgehalten wird, und möglicherweise kann er uns helfen.«
Cleos Augen weiteten sich. »Gott sei Dank.« Dann rief sie: »John, du hast Besuch.«
Ein hemdsärmeliger, leicht überraschter Ives tauchte aus dem Schlafzimmer auf. Als er sah, wer auf ihn wartete, lächelte er und verbeugte sich galant vor Kit. »Strathmore, Miss James, was für eine angenehme Überraschung. Ich hoffe, Sie sind wohlauf.«
»Ich bin nicht Cassie James, sondern ihre Zwillingsschwester. Sie ist entführt worden, und ich spiele seit Wochen ihre Rolle«, sagte Kit ohne Umschweife. »Ich hoffe, Sie können uns helfen, sie zu finden.«
Ungläubig sagte er: »Es gibt zwei Frauen, die so spielen können?« Er musterte ihr Gesicht gründlich, bevor er zögernd nickte. »Ja. Setzen Sie sich. Ich vermute, daß das eine lange Geschichte ist.«
Genaugenommen war Kits Beschreibung von Kiras Verschwinden und ihrer
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