Tanz der Sinne
spät. Lucien trat dem Mann die Waffe aus der Hand und versetzte ihm dann zwei harte Schläge aufs Kinn.
Der Wachposten ging bewußtlos zu Boden. Lucien nahm ihm Pistole und Munition ab und fesselte den Mann mit seinem eigenen schäbigen Halstuch. Dann stand er auf und sah sich um. Er stand in einer kleinen Kammer, zu der noch ein weiterer Gang zu seiner Linken führte. Ein Tisch, zwei Stühle und eine Lampe standen in der Mitte das Raumes. Auf dem Tisch verstreut lagen Spielkarten.
Keine Spur von Kit, aber in der
gegenüberliegenden Wand gab es eine schwere, eisenbeschlagene Tür. Er durchsuchte den Wächter und fand einen großen Messingschlüssel.
Er paßte in das Schloß. Als er ihn drehte, betete er, daß Kira dahinter war. Wenn er sie gefunden hatte, konnten sie sich in Sicherheit bringen, sobald sie Kit wiedergefunden hatten. Sie konnte nicht weit sein.
Die Tür ging auf und er ging mit gezückter Pistole hinein. Er fand sich in einem behaglich ausgestatteten Raum wieder, der bis auf den Mangel an Fenstern wirkte wie ein echter Salon.
Eine Tür führte zu einem Schlafzimmer, eine andere in ein Verlies. Genau wie Kit es beschrieben hatte.
Als er sich vorwärtsbewegte, sah er aus dem Augenwinkel eine Bewegung. Er drehte sich um und stand Lady Kristine Travers gegenüber. Einen Augenblick lang lahmte ihn der Schock. Die Tatsache, daß Kit und Kira eineiige Zwillinge waren, war die Grundlage seiner Mission.
Trotzdem war es zutiefst beunruhigend, eine Frau zu sehen, die genau wie Kit aussah, aber gleichzeitig eine vollkommen Fremde war.
Und während er sie anstarrte, versuchte sie, ihm den Schädel einzuschlagen.
Lucien duckte sich instinktiv, so daß ihr Stock ihn nur am rechten Arm traf und ihm die Pistole aus der Hand schlug. Geschmeidig wie eine Katze und mit wilden grauen Augen sprang sie auf, um es noch einmal zu versuchen.
Er wich zurück und sagte eindringlich: »Legen Sie das weg, Kira. Ich bin ein Freund von Kit.«
Sie erstarrte, hin- und hergerissen zwischen Erleichterung und tödlicher Gewalt.
»Mein Name ist Lucien Fairchild.« Er sprach beruhigend wie zu einem ängstlichen Kind. »Kit ist hier irgendwo in der Nähe. Sie hat sich bei der Suche nach Ihnen verirrt. Kommen Sie, wir müssen sie finden.«
Mit zitternder Stimme fragte Kira: »Kit ist hier?«
Er nickte. »Ich hab’ sie in dem Labyrinth hier unten verloren, aber sie kann nicht weit sein.« Er trat vor und nahm den Stock aus ihrer widerstandslosen Hand.
Sie massierte sich die Schläfen, mit derselben Geste wie ihre Schwester. »Es… es tut mir leid, daß ich Sie geschlagen habe«, sagte sie mit versagender Stimme. »Ich dachte, Sie sind Lord Mace.«
»Mace hat Sie entführt?«
Sie nickte. »Er hat mich auf der Bühne gesehen und war von mir besessen. Als ich mich geweigert habe, seine Mätresse zu werden, hat er mich nach einer Vorstellung entführt. Und dann hat er mich gezwungen, ihn zu… zu…«
Er unterbrach sie, bevor sie zusammenbrach.
Körperlich wirkte sie unversehrt, aber Monate der Gefangenschaft hatten sie seelisch labil gemacht.
»Sie müssen mir nichts erklären«, sagte er ruhig.
»Kit hat das meiste in ihren Träumen gesehen.«
Das provozierte ein schwaches Lächeln. »Das sieht ihr ähnlich.«
Er betrachtete Kiras Gesicht. Die Ähnlichkeit zwischen den beiden war in der Tat verblüffend.
Dieselbe schlanke Figur und das braune Haar, dieselben grauen Augen und das edle Profil, das ihm geholfen hatte, Kit wieder und wieder zu erkennen.
Aber es gab Unterschiede. Kiras Gesicht und Mund waren einen Hauch voller, und die Tatsache, daß sie Rechtshänderin war, verlieh ihren Zügen einen anderen Schnitt. Und natürlich war ihre Persönlichkeit einmalig.
Außerdem hatte er Kit nie in einem kurzen schwarzen Satinkostüm mit Lederverschnürung gesehen, das dramatische Ausschnitte cremiger Haut enthüllte, auch nicht in kniehohen Stiefeln und Spitzenstrümpfen. Aber er wußte, daß Kit genauso unwiderstehlich darin aussehen würde wie ihre Zwillingsschwester.
Als sie seinen Blick bemerkte, sagte Kira bitter:
»Ich hab’ geschworen, für den Rest meines Lebens weißen Musselin zu tragen, wenn ich heil hier herauskomme.«
Er lächelte. Offenbar erholte sie sich bereits.
»Haben Sie ein Cape? Das Wetter ist fürchterlich, und wir müssen ein paar Meilen reiten, wenn wir hier heraus sind.«
Kira lief in den anderen Raum und kam mit einem Nerzcape zurück, das einer Königin würdig gewesen wäre. Während sie
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