Tanz der Sinne
Gedanken. Sie wirbelte durch das Wohnzimmer, ohne auf die Möbel zu achten, mit denen sie beinahe zusammenstieß. Diesmal über* ließ sie sich der Musik, stampfte mit den Absätzen und drehte sich, bis der Saum ihres Morgenrocks bis über die Knie wirbelte. Am Schluß machte sie einen Sprung, der Cleos Klatschen in echten Applaus verwandelte.
»Großartig, Kit. Das wird ein Riesenerfolg.«
Kits Hochstimmung verflog rasch. Ihr Tanz mochte erfolgreich sein, aber das war unwichtig.
Die Zeit verflog mit erschreckender Geschwindigkeit, und ihr eigentliches Ziel, das über Leben und Tod entschied, war so ungreifbar wie eh und je.
Lucien setzte sich an seinen Schreibtisch, um niederzuschreiben, was er bisher über die Höllenhunde wußte, aber seine Feder wanderte, und er begann zu zeichnen. Er hatte ein Talent dazu, das ihm nützlich war, wenn er seine mechanischen Spielzeuge entwarf. Aber was diesmal auf* dem Papier entstand, war kein Pinguin, sondern das Gesicht einer Frau.
Als er fertig war, studierte er das Resultat. Lady Nemesis, ebenso anziehend wie ungreifbar.
Im Geiste nannte er sie Jane, nach dem letzten Namen, den sie ihm genannt hatte. Obwohl sie sich dreimal getroffen und zwei wahrhaft unglaubliche Küsse geteilt hatten, war er sich nicht sicher, wie sie aussah. Waren ihre Wangenknochen wirklich so hoch, oder war das ihrer Schminkkunst zu gute zu halten? War ihr Gesicht ein vollkommenes Oval oder eher länglich? Und ihr Mund – er wußte, daß ihre Lippen weich waren, aber er konnte keine genaue Form bestimmen. Das einzige, was er sicher kannte, war die schlanke, grazile Figur, die er anziehender fand als die künstlichen Kurven von Sally, dem Schankmädchen.
Er versuchte ein paarmal, sie zu skizzieren, und gab schließlich auf. Keine der Zeichnungen war treffend. Der Gedanke, daß er ihr auf der Straße begegnen könnte, ohne sie zu erkennen, machte ihn rasend.
Seufzend lehnte er sich zurück und legte seine Füße auf den Schreibtisch. Dieses verteufelte Frauenzimmer wurde allmählich zu einer fixen Idee. Er hatte gesagt, daß er sie finden würde, und das würde er auch, selbst wenn das Unterfangen, eine namenlose junge Frau aufzuspüren, die sich irgendwo in Großbritannien aufhielt, so war, als ob man um Mitternacht im Keller nach einer schwarzen Katze suchen wollte.
Aber wenn er sie gefunden hatte, was zum Teufel sollte er dann mit ihr anstellen? Die wilde Lust, die er neulich abends empfunden hatte, war auf ein erträgliches Maß herabgesunken, aber er wollte sie immer noch in seinem Bett haben, ohne Rücksicht auf die Folgen. Er war schon oft niedergeschlagen gewesen, und es würde wieder geschehen; die mutige, schlaue Jane würde den Preis wenigstens wert sein. Aber man verführte keine Jungfrauen aus guter Familie, und das war sie, trotz ihrer zweifelhaften Aktionen.
Frauen wie sie heiratete man.
Und das gab ihm kein Recht, sie ausfindig zu machen. Sein Blick wanderte zu der Skizze von ihm und Elinor. Er hatte schon vor langer Zeit entschieden, daß er niemals heiraten würde, wenn er nicht eine Frau fand, mit der er die tiefe emotionale Vertrautheit wiederfinden konnte, die seinem Leben so lange gefehlt hatte.
Er wäre ein glücklicherer Mann gewesen, wenn er diese Nähe nie gekannt hätte. Und doch, so tief der Verlust ihn auch immer noch schmerzte, er bedauerte nicht, daß sie ihm einmal zuteil geworden war.
Er wollte sich gerade wieder seinen Geschäften zuwenden, als sein Butler eintrat und verkündete:
»Lord Aberdare wünscht Ihnen seine Aufwartung zu machen, Mylord.«
»Nicholas!« Lucien stand auf und schüttelte seinem Freund, der dem Butler gefolgt war, die Hand. »Ich wußte nicht, daß du nach London kommst.«
»Ich ebensowenig. Aber Rafe hat mich herbeordert. Morgen wird im Oberhaus über seinen Vorschlag für die Friedensverhandlungen in Gent abgestimmt.«
»Du meine Güte, und dafür hat er dich aus Wales hergeschleppt?« Lucien schob seinem Gast einen Sessel hin. und setzte sich wieder. »Rafe hat natürlich recht – seit der Krieg mit Amerika zum Stillstand gekommen ist, ist es unsinnig, daß England irgendwelche Zugeständnisse erwartet.
Rafes Resolution besagt, daß die Regierung ihre starre Haltung aufgeben und die bestehenden Grenzen akzeptieren muß, und das ist der einzige Weg, um eine Einigung herbeizuführen. Aber selbst wenn sein Vorschlag Erfolg hat, ist er gesetzlich nicht bindend.«
»Das stimmt, aber wenn das Oberhaus bellt, hört die Regierung zu,
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