Tanz der Sinne
würden.
Offenbar haben sie festgestellt, daß der Krieg ein einträgliches Geschäft ist.«
»Schakale«, zischte Lucien mit kaum verhohlener Wut. Das Kämpfen mochte aufgehört haben, aber er hätte daran denken können, daß Gier und Gewalt unausrottbar waren. Es wurde Zeit, daß er aufhörte, an seine flüchtige Dame zu denken, und sich auf seine wahre Aufgabe konzentrierte.
»Vermutlich sind das alles nur Spekulationen und müßiges Geschwätz, aber man darf kein Risiko eingehen. Ich werde mich umhören. Außerdem setze ich mich mit meinen Kollegen in Preußen und Österreich in Verbindung. Falls es wirklich irgendwelche Pläne gibt, den Kaiser wieder einzusetzen, kann man sie vielleicht im Keim ersticken.«
»Hoffentlich«, sagte Nicholas ernst.
Die Nacht war dunkel und trübe, aber trocken, wie geschaffen für Diebe. Ganz in schwarze Männerkleidung gewandet und mit einem dünnen, starken Seil und einem Enterhaken ausgerüstet, begann Kit ihre Karriere als Einbrecherin in Lord Nunfields Stadthaus. Der lasterhafte, zynische Adlige war einer ihrer Hauptverdächtigen.
Das Nachbarhaus war zur Zeit nicht bewohnt, und sie erklomm das Dach, ohne Angst haben zu müssen, daß man sie hörte. Von da war es einfach, auf das Dach von Lord Nunfields Haus zu gelangen.
Lichter im Kellergeschoß zeigten an, daß die Dienerschaft einen ruhigen Abend in ihren eigenen Räumen genoß. Der obere Teil des Hauses war dunkel. Nachdem Kit ihr Seil an einem Schornstein verankert hatte, schlang sie’
es sich um die Taille und seilte sich ab, bis sie auf gleicher: Höhe mit einem Fenster auf der Rückseite des Hausest war. Wenn sie diesesmal erwischt wurde, gab es keine Möglichkeit, ihre Anwesenheit zu erklären.
Als ihr Herzschlag ruhiger geworden war, machte sie sich an die Arbeit. Mittlerweile hatte sie Erfahrung, und es gelang ihr, das obere Stockwerk von Lord Nunfields bescheidener Behausung rasch zu durchsuchen. Das Schlafzimmer des Hausherren kontrollierte sie besonders gründlich.
Alles klappte reibungslos. Unglücklicherweise fand sie nichts. Als sie sich schließlich aus dem Fenster lehnte und nach ihrem pendelnden Seil griff, war sie geneigt zu glauben, daß Nunfield nicht ihr Mann war. Ihr nächster Ausflug sollte zu Lord Mace führen.
Während sie auf das Dach kletterte, sagte sie sich, daß der Abend wenigstens in einer Hinsicht ein Erfolg gewesen war: dieses Mal hatte der schreckliche Lord Strathmore sie nicht erwischt.
Dafür zumindest konnte sie dankbar sein.
Rafes Vorschlag zu einer raschen Einigung mit den Vereinigten Staaten hatte eine überraschend große Anzahl von Mitgliedern ins Oberhaus gelockt. Das Thema entfachte eine hitzige und gelegentlich gehässige Debatte. Rafe selbst verteidigte seine Eingabe wortgewandt, und Lucien und Nicholas hielten kurze Reden, um ihn zu unterstützen.
Die Debatte dauerte bis nach Mitternacht. Als endlich abgestimmt wurde, wartete Rafe mit unbewegter Miene, als sei das Resultat ihm gleichgültig. Lucien saß neben seinem Freund und zählte die Stimmen. Es würde knapp werden, sehr knapp, und im Oberhaus herrschte atemlose Spannung.
Die Resolution wurde mit einer Stimme Mehrheit angenommen. Als das Stimmengewirr wieder einsetzte, gestattete Rafe sich ein triumphierendes Lächeln. »Gut, daß du gekommen bist, Nicholas.«
»Hoffen wir, daß etwas dabei herauskommt.«
Nicholas klopfte Rafe auf die Schulter. »Gut gemacht. Ich hatte schon Angst, die Kolonialistenfresser würden gewinnen.«
Rafe wandte sich an Lucien. »Hast du Lust, bei mir zu feiern? Vielleicht können wir uns etwas Neues ausdenken, um Druck auf die Regierung auszuüben.«
»Ich komme später nach.« Lucien warf einen Blick in das volle Haus. »Es gibt ein paar Leute, mit denen ich sprechen möchte.«
Lucien war nicht überrascht gewesen, Mace und Nunfield zu sehen, ebensowenig, daß sie gegen die Resolution gestimmt hatten. Er bahnte sich seinen Weg durch die Menge.
Mace hob die Augenbrauen, als Lucien sich zu ihnen gesellte. »Sie sind wirklich der Ansicht, daß wir uns vor diesem Lumpenpack von Amerikanern geschlagen geben Eilten?«
»Weniger das, als einen Kompromiß finden«, sagte Lucien, während sie dem Strom von Männern auswichen, die hinausdrängten. »Ich sehe keinen Sinn darin, einen unnützen Krieg fortzusetzen.«
»Das klingt, als hätten Sie gefährlich liberale Tendenzen«, sagte Nunfield mit gespieltem Entsetzen. »Wahrscheinlich lesen Sie radikale Autoren wie Leigh Hunt und
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