Tanz der Sterne - Unter dem Weltenbaum 03
Tausend angewachsen. Schwermütig wanderte ihr Blick über die erloschenen Feuerstellen. Die Gemüsegärten boten zwar einiges an Nahrung, aber lange nicht genug, um für längere Zeit davon leben zu können.
Die junge Frau holte tief Luft und hielt den Atem an. Der Stechginster auf den Hügeln blühte bereits, und selbst auf dem Sperrpaß gedieh das Leben. Erste Tiere hatten sich schon dort niedergelassen.
»Sigholt wird das Herz des neuen Tencendor sein«, flüsterte Aschure und schloß die Augen. »Wie glücklich ich bin, daran Anteil haben zu dürfen.«
Ohne die Augen zu öffnen, drehte die junge Frau sich um und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Zinnen. Als sie nach einer Weile die Lider aufschlug, stand Axis vor ihr auf dem Dach und sah sich verwirrt um.
Er hatte sich mitten auf dem violetten See in der Kristalldachhöhle von dem Charoniten verabschiedet und dann die Reise angetreten. Eben noch hatte Axis in dem sanft schaukelnden Kahn gesessen, und im nächsten Moment spürte er die Energie des Sternentanzes. Welch ein Genuß, sie in seinem Körper zu fühlen. Wenn er doch eines Tages den gesamten Sternentanz für seine Zwecke einsetzen könnte, statt immer nur mit einem Lied eine kleine Portion davon. Axis mußte sich dazu zwingen, seine Gedanken wieder auf Sigholt zu richten. Wieviel Zeit mochte auf der Oberwelt vergangen sein? Wie stand es überhaupt um die Festung?
Eine unsichtbare Hand schien ihn zu ergreifen und über eine unvorstellbare Entfernung zu tragen. Je näher er nach Sigholt kam, desto rascher verlief die Reise – der Krieger befürchtete schon, mit voller Wucht gegen eine Mauer zu prallen und sich dabei alle Knochen zu brechen.
Doch gerade, als Furcht sich in seinem Bewußtsein festsetzen wollte, tat sein Magen einen Satz, und er fand sich oben auf dem Turm der Burg wieder. Nacht herrschte, und über ihm wirbelten die Sterne in ihrem immerwährenden Tanz über den Himmel.
Noch halb benommen dachte Axis, er müsse durch die Zeit zurückgereist sein und jetzt gleich wieder die Vision von Rivkah erleben, wie sie jung, wunderschön und schwanger an der Brüstung gestanden hatte.
Und hier befand sich tatsächlich eine Frau, aber nicht seine Mutter, sondern Aschure.
Der Krieger öffnete den Mund und wußte nicht so recht, was er sagen sollte, als eine tiefe, musikalische Stimme ihn fragte: »Seid Ihr reinen Herzens?«
»Ja, verdammt nochmal!« gab Axis barsch und ohne nachzudenken zurück. Und die Brücke murmelte beleidigt etwas vor sich hin.
»Aschure? Was tut Ihr denn hier?« Er trat auf sie zu, blieb dann aber stehen und reichte ihr nur die Hand.
Die junge Frau stand wie erstarrt da, konnte sich nicht rühren und brachte keinen Ton hervor. Sie hatte immer gedacht, Axis würde einfach über die Brücke auf den Burghof hereingeritten kommen. Dann würde sie ihm völlig gelassen entgegentreten und sich in ihrer Uniform und mit ihrem Offiziersrang unangreifbar fühlen. Er und sie könnten sich ganz vernünftig und wie Erwachsene über den zu erwartenden Nachwuchs unterhalten, über die Folge ihrer Leidenschaft am Beltidenfest. Und schließlich würden sie zu einer zivilisierten Abmachung finden, nach der Axis seinen Sohn lieben und erziehen könnte, ohne daß das Kind oder Aschure jemals zwischen ihm und Faraday stünden. Ja, und sie könnte ihm dann auch ganz offen von Belials Heiratsantrag berichten, womit endgültig alle offenen Fragen gelöst wären. Der Krieger wäre sogar froh, daß sein Leutnant ihm aus einer leisen Verlegenheit heraushülfe.
Aber jetzt stand Aschure nicht in Uniform vor ihm, sondern barfuß, mit gelöstem Haar und mit nicht mehr am Leib als einem Nachthemd. Und er wirkte müde und angespannt, ließ vor Erschöpfung die Schultern hängen und hielt ihr, wie damals in der Beltidennacht, die Hand hin. Verwünschter Kerl, dachte sie, weil ihr das Blut schon wieder so stark durch die Adern rauschte wie an jenem Abend. Am liebsten hätte Aschure sich ihm in die Arme geworfen, um sich von ihm festhalten zu lassen. Um von ihm zu hören, daß er sie liebe. Um sich bei ihm geborgen zu fühlen.
Aber nein, er liebte ja eine andere. Allein dieser Gedanke reichte ihr, nicht ihren Wünschen nachzugeben, sondern Abstand zu wahren.
»Axis«, begann sie mit einer Stimme, die sich ruhiger anhörte, als sie sich fühlte, »willkommen auf Sigholt.«
Der Krieger hielt ihr immer noch die Hand hin. Jetzt zog er sie wieder zurück, trat noch einen Schritt auf die Schöne zu,
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